Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!
erfreulichste Meldung als Anhang: Der Spot wurde bald zurückgezogen. Da er meist Unwillen bei den Zuschauern hervorrief. So verdummt, so konsum-erniedrigt wollten sie sich doch nicht dargestellt sehen. Standing ovations!
Sehnsüchte loswerden (und Gier ist eine mächtige Sehnsucht), wie geht das? Bin selbst gierig. Laut Goenka und der reinen Lehre müssten sie alle weg. Selbst jenes Verlangen, leben zu wollen. Nichts soll im wahren Buddhisten den Wunsch erzeugen, etwas festhalten zu wollen. Ok, diese Phase habe ich bereits überwunden, indem ich die Sehnsucht aufgegeben habe, ein wahrer Buddhist zu werden. Das sind Aufgaben für Titanen. Ich bin keiner. Bin schon froh, wenn ich als Mensch über die Runden komme.
Soweit die Theorie, jetzt das nackte Leben: Wieder furzt jemand in der Dhamma Hall , nach Tagen wieder zum ersten Mal. Direkt vor mir. Und gleichzeitig mit dem Wahrnehmen des Gestanks, der jetzt durch meine Nasenlöcher zieht, weiß ich, dass die Sehnsucht nach unverstunkener Luft nicht aufhören wird. Auch nicht am Jüngsten Tag. So beginnt das Dilemma, denn Goenka würde sagen: »Entspanne, alles geht vorüber, auch die Fürze in einer Dhamma Hall .« Und ich sage:»Nein, ich will mich nicht ununterbrochen entspannen, ich will jetzt aufjaulen und dem Prolo eine Kopfnuss verpassen!« Schon verstanden, dass das Leben ein einziger rauschender Strom des Glücks wäre, wenn nichts und nie etwas in mir aufbegehrte, wenn ich jeden und alles hinnähme, den Furzer, den Gröhler, den Widerling, den Hornochsen, die Kuh, den Bäumeausreißer, das Stinktier. Aber so ticke ich nicht.
Zuzeiten ermatten mich diese Aufrufe zur Heiligkeit, denn bisweilen will ich die Sau sein, die von links oder rechts reingrätscht, sich zu Wort meldet, zum Widerwort, zum Schrei. Ich liebe Vipassana und seine Mahnungen zur Beherrschung, und ich liebe zwischendurch das Haltlose, die Ekstase, die schwitzende Geilheit, den Drang, vor Freude (oder Zorn) in den Himmel zu johlen. Lauter Sehnsüchte, die bleiben sollen. Keiner soll mich verdächtigen, hier ein Benimm-Buch abliefern zu wollen. Ich will den finden, der ich bin, sonst nichts. Wie alle hier. Unter Zuhilfenahme einer rabiaten Meditationspraxis. Eingedenk der Masken, die wir uns umhängen, und die andere uns aufpappen, ist das ein hartes Brot. Aber nur so entsteht Reibung, eben Wärme, Hitze, eben Leben.
Exempel: Kurz vor der Ankunft in dem Vipassana-Zentrum aß ich in einem Hotel zu Abend. Freundliche Atmosphäre, der Speisesaal ist gut besucht, Geschäftsleute, Familien. Handys läuten, aber die Angerufenen antworten zügig und diskret, kein Problem. Bis ein Telefon losgeht, dessen Besitzer sich als Klingelton den Sound von Stalinorgeln ausgesucht hat. In Stalingrad-Lautstärke. Jetzt wird es spannend, denn der Mann denkt gar nicht daran, das Gespräch anzunehmen, wie Stinger-Raketen jagen die Töne über uns hinweg. Kein anderes Geräusch ist mehr zu hören. Betroffene Gesichter, nervöse Blicke hin zu den Kellnern, nichts. Zehn Mal, elf Mal, zwölf Mal läutet es. Wieder nichts. Ich siede inzwischen, halte mich aber zurück, will wissen, wie das ausgeht. Irgendetwas muss passieren, denn hier handelt es sich um Körperverletzung.
Und es passiert. Eine kleine Inderin erhebt sich, streicht noch einmal über ihren Sari und geht auf das Eck zu, in dem ein offensichtlich Geisteskranker beschlossen hat, uns zu terrorisieren. Und der Mensch sieht tatsächlich aus wie einer dieser unrasierten Kanaillen, die in Bollywood-Filmen den Zuhälter spielen. Ich liebe solche Aufregungen, denn jetzt sind die Verhältnisse nicht mehr umkehrbar, jetzt kommt ein Finale. Und die Kleine liefert es, schreitet festen Schritts durch die Reihen und stellt sich vor die Visage. Alle starren auf die beiden, während der Flugzeugträger im Handyformat weiterhin in den Raum feuert. Jetzt die siebzehnte Salve. Und jetzt stemmt die Sari-Frau ihre beiden Fäuste in die nackten Hüften und brüllt, brüllt wie eine Sopranistin, so scharf, so gläsern hell, so unüberhörbar: »Switch your fucking phone off!« Ungeheuerliche Worte aus dem Mund einer Inderin. (Hinterher habe ich mich vergewissert, um sicher zu sein, richtig verstanden zu haben. Ja, richtig.) Und der Große tut, was die Kleine ihm anschafft. Just like that . Mitten in die neunzehnte Granate platzt die Stille. Zwei, drei Atemzüge lang, dann tosender Applaus. What a woman, what a courage.
Missis Sharma, so der Name der Entschiedenen, war ganz
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