Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!
Bibliotheken entstanden. Auch im Ausland. Der folgende Auszug aus einer Rede in Chicago zeigt, wie großartig, revolutionär und naiv Vivekananda gedacht hatte: »Wenn das Parlament der Religionen der Welt etwas gezeigt hat, dann das: (…) dass Heiligkeit, Reinheit und Mildtätigkeit nicht ausschließliche Besitztümer irgendeiner Kirche in der Welt sind und (…) dass ich angesichts dieser Tatsachen denjenigen von ganzem Herzen bemitleide, der vom ausschließlichen Überleben seiner eigenen Religion träumt und von der Zerstörung der anderen; und ich zeige ihm, dass auf dem Banner jeder Religion trotz Widerstands bald geschrieben stehen wird: ›Hilfe und nicht Kampf‹ und ›Gegenseitiges Durchdringen und nicht Zerstörung‹ und ›Harmonie und Frieden und nicht Widerspruch‹.«
Und so fuhr an diesem Donnerstag, jenem 20. Februar 1997, ein Zug in Kolkatta ein, in dessen Mitte sich ein mit Blumen überladener Waggon befand. In dem natürlich kein Heiliger saß. Was nicht die geringste Rolle spielte für die Tausende, die sich versammelt hatten. Die Dampflok kam zum Stehen und eine überirdische Freude brach aus, ein Schreien und Hüpfen, ein Leuchten und Zittern, ein Sinnentaumel, in dem jeder bereit gewesen wäre, sein Leben herzugeben. So redeten alle, mit denen ich hinterher sprach. Nein, die Männer und Frauen redeten nicht, sie haspelten, sie stotterten, sie schienen noch immer versunken in Trance.
So fallen die einen in Ohnmacht, weil jemand einen Gummiball zielgenau nach vorne schleudern kann und dabei 219.178 Dollar pro 24 Stunden verdient. Und sinken die anderen in Verzückung, weil einer etwas von den Zuständen inneren Glücks wusste und nie eine Rupie mehr verlangte, als er gerade brauchte. Andere Länder, andere Götter.
Nach dem Ausflug in Kopfgeschwindigkeit zu Michael Jordan und dem Guru kann ich wieder meditieren. Als hätte ich mein Pensum an Auslauf erledigt, meinen Drang nach Welt und Abwechslung befriedigt. Und ich mache in den restlichen Stunden eine Erfahrung, die ich in besten Meditations-Zeiten immer mache: Mitten im Sitzen und Atmen werde ich eine (materielle) Sehnsucht los, irgendein Teil, das ich mir einbildete, kaufen und haben zu müssen, will ich ab sofort nicht mehr kaufen und haben. Ich streiche den Posten, ersatzlos. Das süße Gift des »Nein-sagen-Könnens« überschwemmt mich wieder. In der Stille und von keiner Ablenkung irritiert – Vipassana heißt doch »Einsicht« – erkenne ich plötzlich, dass dieser oder jener Besitz überflüssig ist, schlimmer, Lebenszeit fordern würde: hingehen müssen, sich anstellen müssen, kaufen müssen, nach Hause schleppen müssen, installieren müssen. Ich begreife, dass mein Leben reicher wird, wenn ich mir den Wunsch nicht erfülle. (Andere Wünsche durchaus.) Nicht aus finanziellen Gründen, nicht aus einem asketischen Dünkel heraus, sondern aus der logischen Erkenntnis, dass ein »schlankes« Leben beweglicher ist, sinnenfroher. Während andere ihre Hifi-Türme montieren, gehe ich zum Schmusen ins Kino. Kein Turm der Welt kann es damit aufnehmen.
19 Uhr, day nine discourse . Wieder redet Goenka so vernunftbegabt. Denn er sieht uns als ganz normale Männer und Frauen, aus denen niemand Heiligenfiguren klonen kann. Sieht uns als Menschen unserer Zeit, die schon heilfroh sind, wenn ihnen in Zukunft ein Leben mit weniger Fehlern gelingt. Und wenn sie schon Irrtümer begehen, dann zumindest neue Irrtümer. Wir sollen uns in den kommenden Wochen genau beobachten und wenn wir »einmal« – in zehn negativ geladenen Situationen – anders reagieren, dann ist keine Stunde hier umsonst gewesen. Eben nicht mit Negativität, nicht mit der eigenen Bosheit antworten, sondern besonnener und cooler, milder, mitfühlender. Gelänge uns das, dann hätten wir es bei diesem einen Mal geschafft, als »master of the present« vom Platz zu gehen. Und nicht (schon wieder) als Würstchen, das hilflos in den Fängen seiner Emotionen zappelt. »Lebe deine Gefühle nicht aus, unterdrücke sie auch nicht, nie. Beobachte sie, nur das.« Doch rechtzeitig sollen wir hinschauen: bevor die Zündschnur abgebrannt ist, bevor der Gefühlscrash stattfindet. Goenka gibt zu, dass die Herausforderung enorm ist.
Der Meister erzählt die Geschichte eines Mannes, der sich im Recht fühlte und bis zum Obersten Gerichtshof ging. Wegen einer Nichtigkeit, einer Bagatelle. Und Recht bekam. Ok, jetzt hat er Recht. Und sieben Jahre einen höllischen Stress erlitten. Und
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