Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
wurde mit jeder Minute nervöser.
Zuerst karrte jemand vom Bodenpersonal einen riesigen Gepäckwagen mit einer Unmenge von Louis-Vuitton-Koffern und Taschen durch die Abflughalle, dann erschien Tatjana Drakovic persönlich mit riesigen Sonnenbrillen, Designerjeans und einer ausgefransten Chaneljacke. Wie eine Diva, dachte Anna, und auch als Tatjana Drakovic ihr freundlich die Hand gab und sich für die Verspätung entschuldigte, änderte sie nicht ihre Meinung.
Zu Beginn des Fluges tauschten alle noch nette Belanglosigkeiten aus, doch dann verebbte das Gespräch immer mehr, bis schließlich jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt war. Tatjana Drakovic versteckte sich hinter ihrer riesigen Sonnenbrille, die sie die ganze Zeit nicht abnahm, Alex Huber studierte ein englisches Börsemagazin, Anna sah schläfrig aus dem Fenster und wachte erst auf, als sich der Learjet bereits im Landeanflug von Palma de Mallorca befand.
Thanatografie: Der Fangschuss
Die Stimmen in meinem Kopf sagen, dass die Erinnerung Kraft zum Töten gibt. Die Stimmen drängen mich ständig, die Erinnerung niederzuschreiben und diese immer wieder anzuhören und dann zu töten. Die Stimmen bestimmen, wie es weitergeht. Die Stimmen sträuben sich gegen das Vergessen und zwingen mich daran zu denken. Die Stimmen wollen, dass ich wieder töte, deshalb erinnern sie mich ständig an das austretende Gehirn, das sich wie ein grauer Kotzfleck auf der staubigen Straße ausbreitet. Die Stimmen erinnern mich an den Fangschuss, um mir einzuschärfen, dass Töten ganz einfach ist.
Es beginnt zu regnen. Ungewöhnlich für diese Jahreszeit, jetzt im September 1991 ein Wolkenbruch, der sich in Sturzbächen über die halb verfallenen Häuser ergießt, für kurze Zeit den Dreck auf Wegen und Straßen, Gärten und Äckern wegspült. Doch dieser unschuldige Regen ist nur etwas für Naive, etwa für meinen Vater, meine Mutter oder für meine beiden kleinen Schwestern. Mich kann diese Idylle nicht beeindrucken. Jetzt weiß ich, dass mich mein Gefühl nie täuscht. Es hat mich auch an jenem Morgen nicht getäuscht.
Das Brummen der Motoren ist als Erstes zu hören. Robuste Geländewagen mit großen Stollenreifen, schlammbedeckt, schwarz heben sie sich auch schon aus der Ferne von dem grauen Horizont ab. Einige der Unvorsichtigen und Naiven laufen aus ihren Häusern, sind neugierig und in froher Erwartung, dass es die lange erwartete Hilfe ist, die uns Sicherheit bietet und uns vor dem Feind schützt. Ich lasse mich ganz von meinem Gefühl leiten und bleibe in der Küche zurück, auf dem zerfetzten Sofa beim Fenster, meinem Beobachtungsposten. Unser Haus ist etwas erhöht, direkt in die Felsen hineingebaut, so kann ich die Straße und den Marktplatz gut überblicken. Die gerade noch so regenglitzernde Straße durch unser Dorf ist sofort wieder schlammiggrau von den trampelnden Schritten der Bewohner. Die Wagen kommen näher, tragen keinerlei Kennzeichnung an den Seiten, die ersten Dorfbewohner bleiben stehen, verharren mitten auf der Straße. Jetzt sind sie mit einem Mal ratlos, die Hoffnung, die ihre Schritte beflügelt hat, beginnt zu schwinden.
Männer in Jagdkleidung steigen aus den schweren Geländewagen, zünden sich gegenseitig Zigaretten an, trinken aus silbernen Flachmännern, lachen und erzählen sich Anekdoten. Angeblich sind sie reiche Geschäftsmänner, die am Wochenende hier bei uns auf die Jagd gehen, nur Wildschweine zu jagen interessiert sie schon lange nicht mehr, sie finden es interessanter, auf Menschen Jagd zu machen. Einer von diesen Männern bahnt sich den Weg durch die Dorfbewohner, die wie paralysiert auf dem Marktplatz stehen und jetzt für ihre Vorfreude
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