Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
im Blick. Langsam umrundete er ihn und analysierte Größe und Beschaffenheit. Der Schrankkoffer erinnerte ihn an einen düsteren Monolithen, so wie er in dem Kreis aus Stahlschildern stand, diesem Schutzwall, der dafür sorgen sollte, dass bei einer Explosion durch herumfliegende Teile nicht das ganze Gebäude zum Einsturz gebracht wurde.
Trotz der vielen Technik, die ihn mit der Außenwelt, mit dem Leben verband, fühlte er sich jetzt unendlich alleine und unzählige Untergangsszenarien rasten an seinem inneren Auge vorbei. Dann hielt er die X-Ray-Kamera mit den Wärmesensoren professionell wie eine Pistole vor sich, achtete darauf, nicht über das dicke Kabel zu stolpern, mit dem die Kamera an einen Computer in sicherer Entfernung angeschlossen war. Fast zeitgleich tauchten die Bilder auf dem Bildschirm auf, wurden automatisch von der Software analysiert, abgeglichen und elektronisch an die Zentrale in Wien geschickt. Mit dem Objektiv tastete er die Verschlüsse ab. Die Klappen, mit denen der hochkant stehende Koffer verschlossen war, tauchten als rötlich-orange Umrisse auf dem Laptop seines Operators auf.
„Handelsübliche Verschlüsse, Metalllegierung, Verbindung zum Innenleben – negativ!“
Ginthör nickte, als er die Analyse über den Lautsprecher in seinem Helm hörte. Unendlich langsam öffnete er den oberen Verschluss, dann den unteren. Jetzt brauchte er nur noch den Deckel wie eine Türe aufklappen und dann ...
Gegen seinen Willen musste er plötzlich an die Taube denken, die kurz zuvor an seinem Kopf vorbeigeflattert war. War das seine Seele gewesen, die seinen Körper bereits in weiser Voraussicht verlassen hatte? War das alles gewesen, wofür es sich lohnte zu leben? Aber jetzt war es zu spät, sich darüber Gedanken zu machen, jetzt war es seine Pflicht, diesen Auftrag auszuführen.
„Nitroglyzerin – negativ!“, hörte er wieder die Stimme des Operators und noch weitere Sprengstoffvarianten wurden emotionslos heruntergeleiert – alle negativ.
„Nicht identifizierte Wärmequelle. Organischer Ursprung.“ Der monotone Singsang verrauschte in seinen Ohren, verflüchtigte sich und zurück blieb nur Stille, die er jetzt mit kratziger Stimme unterbrach.
„Wie lautet die Entscheidung?“
„Öffnen!“ Das war ein Befehl. Noch einmal dachte er an die Taube, dann schob er unendlich langsam den Deckel des Koffers auf.
Ein nacktes, wie ein Embryo zusammengekrümmtes Wesen mit Vogelfedern, die wie Flügel an den Schultern angenäht waren, fiel klatschend auf den glänzenden Marmorboden. Federn auch auf den Armen und auf der Brust und der Kopf war von einer Klarsichtfolie umhüllt, aus deren oberem Rand faserige Haarsträhnen wie Gespinst im dünnen Luftzug der Klimaanlage zuckten. Keine Bombe!
Ginthör atmete erleichtert auf, schob das Schutzvisier in die Höhe und spürte, wie sein Adrenalinspiegel langsam sank.
„Keine Bombe!“, rief er zur Entwarnung laut nach hinten und drehte sich wieder zum Koffer und zu dem Ding, das vor ihm auf dem Marmorboden lag. Und erst jetzt realisierte er, was sich in dem Koffer befunden hatte: Es war nur ein totes Mädchen!
28. Töten ist einfach schön
„Also, Doc, was kannst du mir auf die Schnelle erzählen?“, rief Tony Braun, als er Paul Adrian in der Bahnhofshalle entdeckte. Der Gerichtsmediziner schälte sich gerade langsam aus seinem weißen Papieranzug.
„Weibliche Leiche, maximal zwölf Stunden tot, die Leichenstarre war noch nicht sehr ausgeprägt, sonst hätte man sie ja nicht in den Koffer bekommen“, sagte er, als Braun nähertrat. „Aber wie gesagt, das sind alles nur sehr ungenaue Angaben.“
Paul Adrian war als
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