Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
aufwachen würde. Ihrer Erfahrung nach dauerte es keine zehn Minuten, bis man nach dieser Spritze wieder bei Sinnen war und klar denken konnte, wenn das auch in seinem Fall nicht wirklich möglich war.
Seit Gregor Pestalozzi in dem weißen Zimmer war, waren diese Zusammenbrüche mindestens zweimal pro Woche passiert. Und da Rosa festgestellt hatte, dass es Pestalozzi beruhigte, wenn er ihr ebenmäßiges Gesicht mit dem sanften Lächeln beim Aufwachen als Erstes sah, hatte sich ein Ritual daraus entwickelt. Auch der Leiter der psychiatrischen Klinik hatte nichts dagegen gehabt, im Gegenteil, er fand diese rituelle Beziehung, vom therapeutischen Standpunkt aus gesehen, Erfolg versprechend, denn vielleicht gelang es dadurch, Pestalozzis Denkmuster zu durchbrechen.
Wie immer nahm Rosa ihre weiße Schwesternhaube ab und zog den gefleckten Schildpattkamm aus ihren schwarzen Haaren, die jetzt wie ein glänzender Wasserfall über ihre Schultern flossen und Rosa tatsächlich das Aussehen einer Madonna verliehen. Natürlich zog sie auch das silberne Kreuz unter ihrer weißen Tracht hervor und hielt es vor ihren Mund, so als würde sie es küssen. Dieses Bild musste jedes Mal das Erste sein, das Pestalozzi zu sehen bekam, wenn er die Augen öffnete.
Auch diesmal war es wieder so. Pestalozzi öffnete die Augen, blickte zunächst verwirrt, so als wäre er soeben aus einer gänzlich anderen Welt in die Realität zurückgekehrt. Doch schnell änderte sich seine Miene und als er in Rosas gütige Augen sah, trat ein Lächeln auf sein Gesicht. Aber anders als die Wochen zuvor, starrte er Rosa nicht minutenlang verzückt an, sondern schnellte bereits nach wenigen Sekunden hoch und packte sie bei den Schultern. Damit hatte Rosa nicht gerechnet und als sie vor Schreck zurückprallte, riss sie Pestalozzi mit, der sie noch immer fest umklammerte. Unter Aufbietung all ihrer Kräfte schob sie Pestalozzi zurück, wollte ihn auf das Bett drücken, um Distanz zu schaffen. Doch das war nicht so einfach, noch immer krallten sich seine Hände wie Schraubstöcke um ihre Oberarme und langsam kroch die Panik in ihr hoch.
„Ich. Weiß. Wer. Laura. Getötet. Hat.“ Jedes Wort schoss abgehackt aus seinem Mund und nach jedem Wort drückte er Rosas Oberarme schmerzhaft zusammen.
„Beruhige dich Gregor, wir spielen eine Partie Schach“, versuchte sie ihn mit ihrer antrainierten Therapiestimme zu beruhigen. „Analysieren wir doch einfach die Partie vom 11. Juli 1972. Was meinst du?“
Doch Pestalozzi schien sie nicht zu hören. Immer wieder schnellten seine Pupillen nach oben, so weit, dass nur noch das Weiße in seinen Augen sichtbar war. Wie ein Fisch auf dem Trockenen öffnete er den Mund, schloss ihn wieder, um ihn erneut aufzureißen, doch mehr als ein Krächzen brachte er im Augenblick nicht zustande.
Vorsichtig löste Rosa einen Finger um den anderen, mit denen er sie umklammert hielt, flüsterte dabei beruhigende Worte in ihrer Landessprache. Kraftlos sanken seine Arme auf seine Oberschenkel und er wiegte nur den Kopf vor und zurück, so als wolle er die Gedanken wieder in die richtige Reihenfolge schütteln. Als Rosa aufgestanden war und überlegte, ob sie es wagen könnte, Pestalozzi den Rücken zuzudrehen, katapultierte er sich mit einem Satz aus dem Bett und so schnell auf sie zu, dass sie laut aufschrie. Diesmal erwischte er das silberne Kreuz, das sie noch immer außerhalb der Tracht um den Hals baumeln hatte, und riss sie daran zu sich. Die dünne Kette schnitt schmerzhaft in ihren Nacken, als er sie immer näher zu sich heranzog und sich zu ihr hinunterbeugte.
„Ich. Habe. Sie. Gesehen!“ Nach jedem Wort riss er an der Kette und sein Mund war jetzt schon so nahe, dass Rosa eine Welle der
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