Trilogie des Tötens - X-Mas Edition - 3 Thriller (German Edition)
war nicht mehr auszuhalten. Er war nur für einen kurzen Augenblick nach draußen gegangen, um frische Luft schnappen, das jedenfalls hatte er Tony Braun erzählt, der übernächtigt und gereizt den Obduktionsbericht über Tim Kreuzer mit dem Gerichtsmediziner Paul Adrian analysierte.
Doch hier draußen wurde alles nur noch schlimmer. Panisch atmete er ein und aus, wollte nur einen kurzen Augenblick auf das Vibrieren des Handys vergessen, mehr wollte er nicht. Am liebsten hätte er das Handy auf den Asphaltboden geschleudert, damit diese verdammten Anrufe aufhörten, doch er wusste, dass sich trotzdem nichts ändern würde, rein gar nichts. Also gab er seufzend nach und nahm das Gespräch an.
„Warum gehst du nicht ans Telefon?“, hörte er die Stimme, zittrig und von kurzem Schniefen unterbrochen.
Wahrscheinlich zieht sie jetzt den Rotz hoch und sie kann nichts gegen den Speichel machen, der ihr aus den Mundwinkeln tropft.
„Ich habe zu tun“, antwortete er knapp und versuchte gleichzeitig den Bericht in seinen Gedanken zu formulieren und eigene Schlussfolgerungen einzubringen.
„Bringst du mir etwas mit?“
Die klagende Stimme, jetzt wieder mit dem Kleinmädchentonfall. Darauf lief es ja immer wieder hinaus.
„Ich arbeite an einem Mordfall und kann hier nicht so einfach weg!“
„Ich schreie und mache die Nachbarn rebellisch. Die rufen dann wieder deine Kollegen von der Polizei und du bekommst mächtig Ärger!“
Phase zwei, dachte Gruber, jetzt beginnt sie mit den Drohungen. In Phase drei zerstört sie ihr Zimmer. Phase vier wollte er sich überhaupt nicht ausmalen. Phase vier, das war der Tod.
„Also, was ist? Kriege ich heute etwas? Nur ganz, ganz wenig, damit ich auch einschlafen kann!“
„Nein, du bekommst überhaupt nichts mehr! Hast du mich verstanden?“
Plötzlich war es still am anderen Ende der Leitung, alles, was er hörte, war das Heulen des Windes und das Prasseln des Regens auf seinen Schirm.
„Lenka, bist du noch da?“, fragte er und versuchte seinen Schirm so zu drehen, dass ihm der peitschende Regen nicht direkt ins Gesicht prasselte.
„Lenka!“ Schnell ging er zurück in die Gerichtsmedizin. „Lenka! Verdammt noch einmal. Melde dich! Ich weiß, dass du mich hörst!“ Schlagartig war der Bericht aus seinem Gedächtnis verschwunden. Stattdessen sah er seine Wohnung vor sich, mit dem bunten Mah-Jong-Sofa im Wohnzimmer und der mit Schaumstoff verkleideten Tür mit den drei Schlössern, die vom Wohnzimmer in Lenkas Zimmer führte. In das Zimmer, das Lenka nur einmal kurz verlassen hatte, um ihm und Tony Braun zu helfen. Damals hatte er geglaubt, sie hätte es geschafft, ihre Heroinsucht zu überwinden, aber das war ein Irrtum gewesen, ein verdammter Irrtum. Bereits am zweiten Tag war sie wieder rückfällig geworden und er hatte sie im Volksgarten gefunden, zusammengekrümmt hinter einer Bank in der Hundescheiße, im Regen.
„Lenka! Melde dich, verdammt noch einmal!“, brüllte er in das Telefon und eine Welle der Übelkeit durchflutete ihn. „Lenka! Du bist noch dran. Ich weiß es! Ich komme, so schnell ich kann! Das stehen wir durch, wir beide!“
„Ich bringe mich um“, hörte er ihre Stimme schon weit weg, schon im schwarzen Tunnel, schon magisch angezogen von dem weißen Licht. Dann trennte sie die Verbindung und ließ ihn alleine zurück in dem düsteren, stillen Foyer im Keller der Gerichtsmedizin, dessen Atmosphäre von tragischen Todesfällen belastet war.
*
Auf dem glänzenden Stahltisch wirkte der Mann wie eine prähistorische Mumie. Zusammengepresst wie ein verkohlter Embryo lag er auf der kalten Fläche, der Rest seines Mundes war geöffnet und der weiße Schmelz der Zähne hob sich deutlich von dem schwarz verbrannten Schädel ab. Die Abdrücke der
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