Trinity (German Edition)
schlurften zu ihren Kojen, um mit geschlossenen Augen zu sterben. Ein vierschrötiger Mann, Werner konnte sich schon seit einer Weile an keinen Namen mehr erinnern, entschied sich dafür, auf der Brücke zu bleiben.
»Heute erwartet Deutschland von jedem Mann, dass er seine Pflicht tut«, hatte der Admiral vor Werners erster Fahrt vor vier endlosen Jahren gesagt. Er schloss die Augen, versuchte an Frauen zu denken, an Geburtstage, an seine Familie. Er wünschte sich angenehme Erinnerungen.
Seine schönste Erinnerung galt dem Hotel Beausejour nach fünfzig Tagen Patrouillendienst, nach dem ekstatischen Gefühl, sich zu rasieren, lange unter der prasselnden heißen Dusche zu stehen, die dampfende, saubere Luft tief einzuatmen und dann ausgestreckt auf dem schamlos geräumigen Bett mit seinem frischen weißen Laken zu liegen. Das würde ihm fehlen.
Er blinzelte ein paarmal und stolperte dann in den hinteren Teil des Bootes, seines Bootes. Der Boden war schräg, weil das U-Boot dem Meeresgrund zustrebte, und die Mühe, bergauf zu steigen, erschöpfte ihn. Aber Werner schleppte sich bis zur letzten Schottentür, bis in den Maschinenraum, wo die drei Torpedos warteten.
Der Maschinenraum stank nach Treibstoff, Schmieröl und Rauch, aber jetzt summten die Elektromotoren, saugten Energie aus den Batterien, drehten die Schraube, die das Boot nach unten trieb. Werner blieb stehen, taumelte, als der schwarze Abgrund der Bewusstlosigkeit ihn einhüllte. Er hieb absichtlich mit den Fäusten gegen ein Schott und spürte, wie der stechende Schmerz ihn ins Bewusstsein zurückriss. Übelkeit drohte, ihn zu überkommen, aber er kämpfte dagegen an, behielt die Oberhand.
Die drei Torpedos warteten in ihren Rohren, und er musste seine ganze Kraft einsetzen, um die Luken zu öffnen. Stahlgraue Pfeile, die klein und vertraut wirkten im Vergleich mit den rot und schwarz lackierten Raketen, die er auf New York City abgefeuert hatte. Diese grauen Waffen waren seine Gefährten gewesen. Sie hatten ihm geholfen, Dutzende und Aberdutzende feindlicher Schiffe zu versenken. Jetzt verlangte er von ihnen einen weiteren Dienst.
»Wir müssen alle unsere Pflicht für Deutschland tun, meine Herren«, flüsterte Werner dem ersten Torpedo zu. »Ich weiß, du hungerst nach dem Rumpf eines britischen Schiffes. Es tut mir leid, dass ich dich hierbehalten muss. Es fällt mir schwer, darum zu bitten.«
Er stellte den Zeiger für die Selbstsprengung aller drei Torpedos und arbeitete sich dann wieder bergab in die Steuerzentrale.
Werner wollte jemanden, der ein letztes Mal Alarm schrie, wollte einen auf sie zurasenden Zerstörer entdecken, nachdem die U-415 ein weiteres Versorgungsschiff versenkt hatte. Sie würden blitztauchen und unter den Wellen Sicherheit finden. Seine ganze Mannschaft würde wieder am Leben sein und mit ihm zusammenarbeiten.
Die U-Boote glitten immer in die unsichtbaren Tiefen, wenn sie über sich das Summen sich nähernder Schiffe hören konnten. Sie warteten dann und wussten, dass acht oder sechzehn Wasserbomben zu ihnen herunterschweben würden, versuchen würden, das Boot einzuholen. Die Asdicpulse würden wie kleine Hammerschläge auf dem Rumpf klingen, als würde jemand anklopfen und Einlass begehren. Die Schockwellen der explodierenden Wasserbomben würden die Männer dann zu Boden werfen, und dann würden alle die Säume des Rumpfes absuchen, ob es frische Lecks gab. Werner würde eine drastische Kursänderung anordnen und den Feind oben mit geschickten Zickzackmanövern zu täuschen versuchen.
Manchmal dauerte es Stunden oder gar einen ganzen Tag, bis der Zerstörer oben aufhörte, nach Luftblasen Ausschau zu halten, die an die Oberfläche sprudelten und die Zerstörung eines U-Bootes ankündigten. Aber sie gaben immer auf, und Kapitänleutnant Werner und seine U-415 überlebten immer.
Das waren die Tage des Ruhmes gewesen.
Das Boot strebte weiter dem Meeresgrund zu, war bereits tiefer, als sie je gewesen waren. Auf einer Tiefe von vierhundert Metern stöhnte und ächzte der Rumpf, als der Unterwasserdruck anfing, die stählerne Hülle zu zerdrücken. Der Grund des Atlantiks lag noch weit unter ihnen.
Die ächzenden Geräusche ließen Werner an all die guten Männer denken, die auf See gestorben waren. Ihre Geister schwammen in Tiefen, in denen es zu dunkel war, als dass das Licht der Sonne hinunterfallen konnte. Erwarteten ihn vielleicht jetzt seine eigenen gefallenen Kameraden? Er malte sie sich aus, wie sie neben
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