Trinity (German Edition)
Betriebswirtschaftsdiplom und ihrer Erfahrung in finanziellen Dingen war es kein Problem, einen Job bei einer Kunstgalerie in Santa Fe zu bekommen, deren Bücher sie führte – Nambe on Canvas. Elizabeth liebte den Chic der Galerie und den Freundeskreis, den sie sich dort aufbaute, alles Leute mit Interesse für relevante Dinge. Sie gründete ihre eigene Firma und spezialisierte sich darauf, für kleinere Firmen die Bücher zu führen, was genügend abwarf, um ihr einen angenehmen Lebensstil zu ermöglichen.
Was ihr jetzt bevorstand hingegen, war alles andere als angenehm. Und zu allem Überfluss hatte man sie bei all der Ausbildung, die sie genossen hatte, als einfache Büroangestellte für Ablagearbeiten eingesetzt! Wenn ihre Lage nicht so völlig verrückt und verdreht gewesen wäre, dann hätte sie das Ganze komisch finden können.
Elizabeth schob die Bettdecke zurück und setzte sich auf ihrer Pritsche auf. Sie starrte auf das Bett nebenan. Das Mädchen dort schlief tief und sorglos, fest darauf vertrauend, dass »die dort oben« es schon schaffen würden, die bösen Japaner und die schrecklichen Nazis zu besiegen und dann die Welt in ein Paradies der Wahrheit, der Gerechtigkeit und des American Way of life zu lenken. Und alles wegen des Manhattan-Projekts.
Elizabeth schwang die Beine von der Pritsche und bemühte sich, die anderen nicht zu wecken. Wie oft hatte sie jemanden sagen hören: »Wenn ich nur damals gewusst hätte, was ich heute weiß?« Wie viele Leute wären damit einverstanden gewesen, das Atombombenprojekt fortzuführen, wenn sie nur wirklich gewusst hätten, was dann kommen würde. Der Kalte Krieg. Die Kubakrise. Vietnam. Das Wettrüsten. Star Wars. Der Golfkrieg. Der Kondensatorunfall in Los Alamos. Die vielen Heimatlosen und die vielen Menschen, die an AIDS starben, und alles das, weil man zu viel Geld für die Verteidigung ausgegeben hatte.
Aber wie sollten sie es wissen? Und was war besser – wenn sie hier blieb und nichts tat, sich einfach vom Gezeitenstrom der Zeit treiben ließ, oder wenn sie aktiv versuchte, die Dinge zu ändern? Als Büroangestellte in der Aufnahme? Das konnte sie vergessen.
Sie hatte keine richtige Vorstellung davon, wie sie es anpacken würde. Aber wenn sie es fertigbrachte, dass man sie in eine wichtigere Position versetzte – an eine Stelle mit einiger strategischer Bedeutung –, dann würde sie vielleicht erkennen können, wo alles angefangen hatte schiefzulaufen.
Die Fußbodenbretter des Schlafsaals ächzten nicht, als sie sich ins Bad schlich. Sie zog dort schnell ihre eigenen Kleider an und überlegte kurz, ob sie sich, nur für den Fall, dass sie erwischt wurde, irgendwie tarnen sollte, entschied sich aber dagegen. Falls sie wirklich entdeckt wurde, würde das alles nur noch schlimmer machen.
Sie hatte gehört, dass andere Frauen sich gelegentlich während der Nacht wegstahlen und auch wieder ungesehen zurückkamen, sich irgendwie an Mrs. Canapelli vorbeischlichen – schließlich waren mitternächtliche Rendezvous nicht erst in Elizabeths Generation erfunden worden. Zu viele alleinstehende junge Männer waren im Projekt untergebracht, und den Frauen des Jahres 1943 war von der Propaganda eingehämmert worden, dass man von ihnen erwartete, die tapferen Soldaten in Uniform anzubeten. Ein Verlassen des Wohnheims wurde also durchaus toleriert, solange es mit Diskretion geschah.
Elizabeth rüttelte vorsichtig an der Tür des Verwaltungsgebäudes, worauf diese sich mit leisem Quietschen öffnete. Überrascht, die Tür unversperrt vorzufinden, hielt sie den Atem an. Sie hatte das Gefühl, das Geräusch müsse überall auf dem schlammigen Lagergelände zu hören gewesen sein. Aber niemand kam mit Waffen fuchtelnd die Straße heruntergerannt. So weit, so gut.
Das Motorengeräusch eines Jeeps war auf der anderen Seite der Anlage zu hören. Gelbweiße Scheinwerferbündel bogen in einen Feldweg und bewegten sich den Hügel hinauf. Elizabeth schlich sich in den Verwaltungsbau und schloss die Tür hinter sich, in der Hoffnung, das Motorengeräusch des Jeeps würde alle Geräusche übertönen, die sie vielleicht machte. Sie erwog kurz, die Tür hinter sich abzusperren, für den Fall, dass eine der Wachen nachsehen kam. Dann entschied sie sich dagegen; außerdem steckte auch gar kein Schlüssel im Schloss.
Weshalb die Sicherheitsvorkehrungen wohl so lasch waren – aber sie befasste sich nicht länger mit dem Gedanken; vermutlich hielt man die Verwaltungsbereiche
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