Trinity (German Edition)
sich um eine alphabetische Liste der Mitarbeiter einer bestimmten Abteilung. Das Gefühl, sich in einer ausweglosen Situation zu befinden – einer Situation, in der es keine Gewinner gab – Jahre vor ihrer Zeit in der Vergangenheit gefangen, war bedrückend, auch wenn sie wusste, wie sich alles weiterentwickeln würde, und trug nicht gerade dazu bei, ihre Stimmung zu heben. Sie durchwühlte den nächsten Papierstapel – ein Blatt nach dem anderen –, nichts.
In ihre eigene Zeit konnte sie nicht zurück. Sie hatte keine Ahnung, wie sie das hätte anstellen müssen. Sie würde das Manhattan-Projekt beobachten müssen, ohne selbst eine aktive Rolle zu spielen. Ja, wollte sie denn überhaupt eine solche Rolle spielen? Aber hatte sie denn eine andere Wahl? Der Papierkram und die Bürokratie hier schienen ihr genauso chaotisch wie das, was die Regierung in der Zukunft anzubieten hatte. Das rosige Bild einer »Alle für einen und einer für alle«-Stimmung, die die Einstellung der Leute in jener Zeit angeblich gekennzeichnet hatte, schien hier nicht zu passen.
Sie erstarrte. Draußen im Flur hatte sich etwas bewegt. Schritte, ein Scharren an der Tür.
Elizabeth hielt den Atem an. Sie wollte sich schon hinter dem Schreibtisch mit seinen Papierstapeln wegducken. Die Wachen – was würden sie tun, wenn sie sie da fanden? Würden sie schießen, ohne Fragen zu stellen? Es lief ihr eisig über den Rücken. Die Nation befand sich im Krieg und hatte es immerhin fertiggebracht, in Amerika geborene Japaner in Lager zu stecken. Dass man für einen Einbruch in die Archive des Manhattan-Projekts, und wenn es sich um noch so belanglose Akten handelte, exekutiert werden konnte, schien ihr plötzlich keineswegs mehr unwahrscheinlich.
Jemand trat ein. Elizabeth duckte sich noch tiefer.
»Entschuldigen Sie.« Ein kaum hörbares Flüstern. Sie blickte auf. Ein Mann trat hinter die Papierstapel und sah auf sie hinab, als ob er die ganze Zeit ihr Versteck gekannt hätte. »Äh, kann man Ihnen irgendwie behilflich sein?«
Elizabeth hatte das Gefühl, der Mann würde dabei schmunzeln. Sie versuchte, sein Gesicht zu erkennen, aber das Licht, das zu den Fenstern hereinfiel, ließ sie nur seine Silhouette erkennen.
Elizabeth richtete sich langsam auf. Sie zitterte am ganzen Körper, der kalte Schweiß brach ihr aus. Ihr Magen verkrampfte sich. Aber sie verstand einfach nicht, was hier vorging. »Ich … ich …« Mehr brachte sie nicht heraus.
»Ist schon in Ordnung. Wirklich«, sagte er.
Elizabeth holte Luft. »Oh, verdammt.« Sie sah sich um, zog sich einen Stahlrohrsessel her und setzte sich. »Also, was werden Sie jetzt mit mir machen?«
»Wie bitte?« Der Mann trat ein paar Schritte zur Seite, sodass das Licht jetzt auf sein Gesicht fiel. Er sah jung aus, höchstens fünfundzwanzig. Sein Haar war kurz gestutzt und lockig. »Mit Ihnen machen? Du liebe Güte, da kommen einem ja alle möglichen Gedanken, nicht wahr? Ich hatte nur gedacht, Sie würden hier drinnen vielleicht Hilfe brauchen, um sich zurechtzufinden.«
Elizabeths Augen verengten sich. Sie richtete sich im Sitzen halb auf. »Hilfe?«
»Aber sicher. Bei all diesen Papierstapeln.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf einen besonders hohen Stapel in der Ecke. »Können Sie sich so etwas eigentlich vorstellen? Das hier ist der Albtraum eines Gelehrten und der Traum eines Bürokraten. Der Himmel der Formulare. Einer dieser Witzbolde von der Verwaltung könnte hier drinnen sterben, und die würden einen Monat brauchen, bis sie auch nur mitkriegen, dass er verschwunden ist.«
Elizabeth lachte verlegen. Diesen Mann schien es überhaupt nicht zu stören, dass sie hier im Dunkeln war; er machte nicht den Eindruck einer Gefahr. »Da haben Sie wahrscheinlich recht.«
»Dass Sie Hilfe brauchen?«
»Nein. Ich meine, ja, ich brauche Hilfe. Aber dass das hier ein Formularalbtraum ist oder das Paradies oder was auch sonst, damit haben sie recht.« Sie hielt inne, ärgerte sich, dass sie so losgeplappert hatte, fing sich dann aber wieder. Sie konnte das alles einfach nicht glauben.
»Gut.« Der Mann lächelte. »Was suchen Sie dann eigentlich?«
»Etwas, damit ich versetzt werde. Die Formulare, die es dafür braucht.«
»Sie wollen also einen anderen Job.«
»Das ist richtig.«
»Himmel, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass hier irgendetwas verlegt wird.« Er schnaubte spöttisch. »Gefällt Ihnen das, was Sie jetzt machen, nicht?«
»Maschineschreiben und in Papieren
Weitere Kostenlose Bücher