Trinity (German Edition)
Bürohilfe in der Aufnahmestelle einteilen.«
»Und was muss ich dort tun?«
»Büroarbeiten natürlich. Was würden Sie denn sonst gerne tun?« Der Captain schien erstaunt.
»Wie lange werde ich dort sein?«
»Wenn man Ihre Papiere nur irgendwo verlegt hat, dauert es vielleicht bloß zwei oder drei Tage. Wenn sie wirklich verschwunden sind, müssen wir uns mit Washington in Verbindung setzen. Und bis die alles in Ordnung gebracht haben, und wir es hier erfahren, kann der Sommer vorbei sein.«
Der Sommer vorbei? Ist das die Zeitspanne, die ich hier habe, drei Monate lang verrückt werden? Ich hatte gedacht, dass ich morgen aufwachen würde.
»Sie sehen also, ich kann wirklich nicht mehr für Sie tun.« Der Captain hob mit einer schulmeisterlich wirkenden Geste den Finger. »Nur, dass ich Ihre Bewegungsfreiheit etwas einschränken muss. Sie dürfen das Projektgelände nicht verlassen, bis wir Ihre Papiere haben.«
Elizabeth presste die Lippen zusammen. Sie hatte keine Lust, hier Theater zu machen. Außerdem, was machte es schon aus? Wo hätte sie denn hingehen sollen?
»Vielen Dank, Captain. Ich bin Ihnen für Ihre Unterstützung wirklich dankbar.« Sie drehte sich um und verließ die Verwaltungsbaracke. Beim Hinausgehen sah sie, dass die Büros der Aufnahme und die Einsatzleitung einander genau gegenüberlagen.
Ein bedrückendes Gefühl überkam sie plötzlich. Nach all der Arbeit, die sie in die Protestbewegung gegen Kernwaffen gesteckt hatte, fand sie sich jetzt plötzlich selbst mitten im Manhattan-Projekt. Und die erwarteten sogar, dass sie mitarbeitete.
Es war zwei Uhr morgens, und der Schlaf wollte sich einfach nicht einstellen. Vor dem Frauenwohnheim brannte eine helle, weiße Laterne und warf tiefe Schatten über die nebeneinander aufgestellten Betten. Draußen tanzten alle möglichen Insekten im Licht. Von der Pritsche nebenan war Schnarchen zu hören. Auf dem Kiesweg draußen knirschten die Schritte eines Wachmannes. Elizabeth drehte sich um und bemühte sich, eine etwas bequemere Lage einzunehmen. Die Laken rochen nach Wäschebleiche und fühlten sich selbst in der kalten Bergluft zu warm an.
Elizabeth war in Albuquerque aufgewachsen und hatte davon geträumt, New Mexico zu verlassen, die verschlafene, langweilige Stadt zu verlassen, und es draußen in der großen Welt zu etwas zu bringen. Berkeley hatte ihr dafür eine Chance geboten. Sie hatte ein Stipendium bekommen und lebte in der Intellektuellengemeinschaft an der Bucht von San Francisco richtig auf. Die Art, wie man im nördlichen Kalifornien lebte, öffnete ihr die Augen, wenn sie auch immer noch einen großen Teil ihrer Zeit mit ihren Büchern verbrachte.
Nachdem sie ihr Physikdiplom abgelegt hatte, war es eigentlich ganz logisch, dass sie bei United Atomics in Los Angeles einen Job bekam – dort konnte sie ihre Kenntnisse verwerten und zur gleichen Zeit alle Vorteile nutzen, die L.A. zu bieten hatte. Sie genoss ihr Singleleben, Wandertouren in den San-Bernardino-Bergen und das Surfen am Manhattan Beach.
Eines Tages wurde ihr bewusst, dass sie ein Betriebswirtschaftsdiplom brauchte, um weiterzukommen, um aus den Kreisen der subalternen Techniker in die höher bezahlten oberen Regionen des Managements aufzusteigen. Was sie damals nicht wusste, war, dass sie mit dieser Entscheidung auch unwiderruflich ihre Unschuld verlieren würde. Ted Walblakens Tod kurz darauf und der unverfrorene Versuch von United Atomics, ihn zu vertuschen, war das letzte Steinchen auf der Waagschale.
Als sie sich in Berkeley an der betriebswirtschaftlichen Fakultät einschrieb und damit ein zweites Mal Berkeley erlebte, verlor es viel von seinem Reiz für sie. Diesmal hatte sie mehr Zeit und befasste sich mit den wirklich bedeutsamen Themen: Biogenetik, dem Ende des Kalten Kriegs und der Entwaffnung Amerikas.
Der entscheidende Punkt war dann die Protestdemonstration von 1983 in Livermore gewesen – sie konnte nie wieder für die Großindustrie arbeiten, nachdem sie einmal zugelassen hatte, dass sie wegen ihrer Prinzipien verhaftet wurde. Und dann war da Jeff … Und plötzlich hatte der hinterwäldlerische Reiz von New Mexico für sie neuen Glanz bekommen. Eine Umgebung und ein Lebensstil, wo es nicht immer nur auf Geld und Profite ankam. Bloß dass Jeff nicht mitkommen wollte, belastete sie.
Santa Fe, nur siebzig Meilen nördlich von der Stadt, in der sie aufgewachsen war, lockte als idealer Punkt, um sich dort niederzulassen. Mit ihrem
Weitere Kostenlose Bücher