Trinity (German Edition)
rechts ein und beschleunigte sein Tempo. Er würde sich später erklären lassen können, wie er wieder zurückkam. Jetzt war es ihm das Wichtigste, Beobachter abzuschütteln.
Er bahnte sich den Weg durch eine Gruppe Indianer, die die schmale Seitengasse heraufkamen. Sie waren mit Decken und Silber- und Türkisschmuck beladen, wahrscheinlich zur Plaza unterwegs. Die Indianer machten ihm wortlos Platz und sahen zu Boden. Eine der Frauen aber starrte ihn so durchdringend an, dass Fox unwillkürlich schneller ging. Er sah keine jungen Männer unter ihnen.
Eine weitere Straße; er ging an ihr vorbei und auch an der nächsten und trat dann in ein Labyrinth von Seitengassen. Er blieb stehen, rechnete damit, dass man ihn verfolgte, aber niemand kam ihm nachgerannt. Der Wind blies den Staub um die Ecke. Fox verschnaufte. Es war so einfach gewesen. Hatte er sich vielleicht überhaupt nur eingebildet, dass man ihn verfolgte? Nichts nährt Paranoia mehr als die Angst. Und nichts würde schneller auf ihn aufmerksam machen, als wenn er sich verdächtig verhielt.
Eine Tür knallte hinter ihm zu. Fox fuhr herum. Zwei dunkelhaarige Jungen kamen aus einem Haus gerannt. Ein ausgefranster Vorhang bedeckte eines der Fenster; im Haus japste ein Hund. Die Jungen rannten über die schmale Straße, sie waren barfuß und lachten. Wieder knallte die Tür, von einer Feder gegen den Rahmen geworfen. Fox feuchtete sich die Lippen an; in dieser trockenen Wüstenluft fühlten sie sich dauernd so aufgesprungen an. Er hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr ganz Herr der Lage zu sein, so als würde sich alles um ihn herum schnell und unkontrolliert wie eine von Fermis Kettenreaktionen entwickeln. Fox versuchte, langsamer zu atmen, seinen Herzschlag zu verlangsamen.
Als er die Straße hinunterblickte, sah er niemanden, der ihm folgte. Abgesehen von den zwei Jungen, die jetzt einen Ball gegen eine Lehmwand warfen, war die schmale Gasse völlig verlassen.
Dann entdeckte er den Briefkasten.
Er hing an einem Nagel an einer Hauswand. Er war schwarz gestrichen, man konnte am Rand die Rostspuren sehen, und enthielt er zwei Briefe, die ein Stück herausragten. Fox' Augen weiteten sich. Er griff in die Tasche, hielt den Brief fest und machte zögernd einen Schritt auf den Briefkasten zu. Die zwei Jungen nahmen ihn überhaupt nicht zur Kenntnis – und der Briefkasten schien sich mit jedem seiner Schritte weiter von ihm zu entfernen.
Wenn er nur an den verdammten Briefkasten rankäme, diesen giftigen Brief aus der Tasche holen konnte … alles schien ihm jetzt eine Herausforderung, ganz darauf konzentriert, den Brief auf den Weg zu bringen, ins Postamt, wo er in einem anonymen Haufen ähnlicher Briefe untergehen würde.
Fox streckte die Hand aus und schob den Umschlag in den Kasten, zu den zwei anderen Briefen, und trat dann zurück.
Es kam immer noch niemand die Straße heruntergerannt.
Ein Ball prallte gegen eine Wand. Aus den Gebäuden beiderseits der Straße waren gedämpfte Stimmen zu hören.
Fox starrte den schwarzen Briefkasten an. Er hatte einen harmlosen Absender auf den Umschlag geschrieben – 1953 Rodeo Road –, eine Adresse, die er erfunden hatte, und bei der er sicher war, dass sie niemandem auffallen würde. Wenn er keinen Absender angegeben hätte, hätte der Brief vielleicht Verdacht erweckt. Alle Post, die auf dem Hügel eintraf oder ihn verließ, wurde geöffnet und von den Zensoren inspiziert; Fox zweifelte nicht daran, dass verdächtige Post aus Santa Fe auch aufgehalten wurde.
Aber ein Brief nach Williamsburg, Virginia, sollte keinen Verdacht erwecken. Und so wartete jetzt sein abschließendes Communiqué an Esau in der warmen Wüstensonne neben zwei anderen Briefen. Fox hatte das Gefühl, als wäre eine schwere Last von seinen Schultern genommen. Er hatte alles getan, was er tun konnte, bloß eine Kleinigkeit. Jetzt würde Abraham Esau es nutzen müssen. Graham Fox hatte das Seine getan.
Den Rest des Nachmittags verbrachte er damit, herumzuschlendern und in den Läden herumzustöbern, die die Plaza umgaben. Rings um den Platz saßen Indianergruppen auf farbenfrohen gewebten Decken und sahen stumm zu, wie die weißen Leute Schmuck kauften und in den Kreationen aus Silber und Türkis herumstocherten, die vor ihnen ausgelegt waren. Die Gangart in Santa Fe schien im Vergleich zu der Hektik auf dem Hügel geradezu feierlich gelassen. Fox ertappte sich dabei, wie er zu träumen anfing, wie er sich wünschte, sein Leben sollte
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