Trinity (German Edition)
auch so unkompliziert wie das der Einheimischen sein.
Dann entdeckte er den Bus am Ende der Avenue. Bis zur Abfahrt waren noch eineinhalb Stunden, und so begab sich Fox zum La Posada Hotel und suchte dort die Bar. Selbst in dem Zwielicht, das dort herrschte, erkannte er einige Männer aus dem Bus.
Niemand lud ihn ein, sich zu ihm zu setzen, aber ihm war jetzt ohnehin nicht nach Gesellschaft; und allem Anschein nach ging es den anderen ebenso. Jeder einzelne von ihnen schien sich, bevor er zum Projekt zurückkehren musste, ein paar wenige letzte Minuten der Einkehr zu wünschen. Fox hatte immer noch das Gefühl, als zittere er am ganzen Körper von der Spannung, unter der er gestanden hatte.
Aber bei all seiner Paranoia hatte er auf seiner Wanderung durch die Stadt keine Spur von G-2 entdeckt. Vielleicht war dieser allgegenwärtige Nachrichtendienst doch nicht so gründlich, wie das Gerücht es behauptete. Es war einfach gewesen, den Brief aufzugeben. Diesmal.
Er konnte es sich nicht leisten, es noch einmal zu tun. Er hatte bereits genug getan. Vielleicht sogar zu viel. Einen Augenblick lang erwog er, zu dem Briefkasten zurückzulaufen, den Brief herauszuholen – aber dafür hatte er nicht mehr genug Zeit. Das Räderwerk war bereits in Bewegung.
Ein Kellner nahm seine Bestellung auf einen Gin und Tonic an, während Fox entspannt auf seinem Sessel saß. Von nun an würde er seine Arbeit beim Projekt tun müssen. Etwas anderes hatte er nicht. Und er würde sich Mühe geben müssen. Er wünschte sich nur, dass der Krieg vorbei war, ehe die Frage eines Einsatzes der Atombombe – falls sie es schafften, sie zu entwickeln – je aufs Tapet kam.
Fox nahm einen Schluck von seinem Gin und Tonic. Seine Augen hatten sich inzwischen an die schwache Beleuchtung in der Bar gewöhnt, und er entdeckte einen Mann, der genauso deplatziert wirkte wie der nette junge Mann aus dem Bus und der in einer Ecke saß und die Gäste im Raum beobachtete. Wie lange mochte er schon dagesessen haben? War er Fox vielleicht den ganzen Nachmittag lang gefolgt?
Plötzlich tollkühn geworden, hob Fox sein Glas und trank dem G-2-Mann zu.
Der Mann sah weg.
6
Berlin – Virushaus
August 1943
»[Heisenberg] erklärte, er sei sicher, dass die wissenschaftliche Lösung bereits gefunden sei, und dass daher theoretisch dem Bau einer solchen Bombe nichts mehr im Wege stehe.«
— Albert Speer, Reichsminister
»Die deutschen Physiker hatten nicht den Wunsch, Atombomben herzustellen, und waren froh, dass die Macht der äußeren Umstände ihnen die Entscheidung ersparte.«
— Werner Heisenberg
Unter den Reifen des schweren Dienstwagens knirschte der Kies, als der Fahrer von der kopfsteingepflasterten Straße abbog. Sie rollten jetzt durch einen wenig befahrenen Teil der Berliner Vorstadt Dahlem und bogen dann in die vom Regen nasse Straße zum Kaiser-Wilhelm-Institut ein. Die langweilige Architektur des Instituts für Chemie und des Instituts für Physik wirkte beinahe drückend. Die Bauten waren um die Jahrhundertwende entstanden und hatten sich damals den starren Geschmacksvorstellungen des Kaisers beugen müssen. Jetzt im Augustregen wirkten die Bäume und die Blumenkästen gramerfüllt. An den Steinmauern strömte das Wasser herunter, das aus den verrosteten Dachrinnen spritzte.
Der Fahrer schaltete die Scheibenwischer ein, aber die verschmierten den Schmutz nur auf der Windschutzscheibe. Vor dem Wagen fuhren zwei Mann auf Motorrädern Eskorte; ihre Motoren knatterten und setzten gelegentlich aus, wenn der Alkoholtreibstoff Fehlzündungen verursachte.
Obwohl er jetzt die Oberhand hatte, fühlte Professor Abraham Esau sich hinten im Wagen doch nicht recht wohl und rutschte unruhig auf den Polstern herum und fragte sich schon zum wiederholten Mal, ob er wie geplant triumphieren würde, oder ob der Schuss am Ende nach hinten losgehen würde. Die Fahrt war nicht lang gewesen, aber recht unbehaglich. Reichsminister Albert Speer saß aufrecht und starr neben ihm und blickte stumm nach vorn. Anscheinend beschäftigte den für die Waffenproduktion zuständigen Minister etwas völlig anderes als das geheime Forschungszentrum, das die Bezeichnung Virushaus trug.
Neben dem Fahrer saß Major Wilhelm Stadt von der Gestapo in schwarzer Uniform mit SS-Armband. Major Stadt war ein ungebildeter Mann, der immer sehr schnell redete und stets den Eindruck von Ungeduld vermittelte. Wie so viele junge Offiziere hatte sich der Major einen kleinen
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