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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxi Buhl
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gefällt Ihnen der Partydampfer also nicht?«, mutmaßte ich.
    Sie schmunzelte. »Was heißt gefallen? Das Schiff ist perfekt, der pure Luxus. Da bleibt kein Wunsch offen. Außer vielleicht der Wunsch nach … Stille.«
    Aus den Lautsprechern, die überall unsichtbar installiert waren, tönte eine Art Texmex-Gedudel, und plötzlich war mir klar, was mich schon seit zwei Tagen latent nervte. Für einen bekennenden Musikhasser hatte es lange gedauert. Selbst auf den Toiletten wurde man hier von Sambaklängen weich umspült. Es war diese Dauerberieselung, die tumb und mich auch aggressiv machte.
    »Wenn Sie Stille suchen, war die Wahl dieser Reise ein Irrtum«, drückte ich mein eigenes Empfinden aus. Dabei fiel mir ein, dass meine Entscheidung für die Reise dem Bedürfnis nach Geselligkeit entsprungen war. Und die hatte ich nun. Eigentlich hätte ich glücklich sein müssen. Ich ließ mir vom bewährten Riesling nachschenken, denn das Glück findet seinen Weg leichter gut geölt.
    Mein Gegenüber zuckte mit den Schultern. »Tja, ich habe die Reise gewonnen. Sie wissen doch: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Ich wollte sie nicht verfallen lassen. In ein paar Tagen ist der Spuk vorbei. Dann gönne ich mir noch zwei Wochen Nacherholung auf meiner Lieblingsinsel und bin wieder ein Mensch. Ich sehe diese Kreuzfahrt ganz pragmatisch als Studie in Sachen Geschlossene Abteilung. Wenn man in der Justiz arbeitet, können einem die hier gewonnenen Eindrücke zugutekommen.«
    Schon wieder eine Juristin. Hatte ich etwas ausgefressen? Schnell den Wein runterkippen und dann die Fliege machen, beschloss ich, weil ich mir plötzlich nicht mehr sicher war, ob ich dem Steuerberater alle Einkommensbelege ausgehändigt hatte.
    »Wollen Sie wissen, welche meine Lieblingsinsel ist?«, fragte sie. Ich wollte es nicht wissen. Ich wollte trinken und Aufrisse machen.
    »Es ist Sylt«, sagte sie unaufgefordert. »Kennen Sie die Insel?«
    Kannte ich sie? Ich hatte einen Sylt-Führer verfasst: Trinken auf Sylt, bevor die Insel absäuft . Ich schüttelte den Kopf. »Nie da gewesen. Deutschland interessiert mich eigentlich nicht. Da kann ich immer noch Urlaub machen, wenn ich am Stock gehe.«
    Jetzt lachte sie schallend. »Gehe ich etwa am Stock? Na also. Sylt ist wirklich eine Reise wert. Dieses schwankende, von Stürmen zerzauste Eiland gibt uns die Ruhe zurück, die wir im Alltag so schmerzlich vermissen.«
    Ich nicht, dachte ich bei mir. Bei mir ist es sehr ruhig. Laut sagte ich: »Die Insel kann jeden Moment absaufen. Das ist mir zu unsicher.«
    »So ein Unsinn«, widersprach sie mir. »Das Thema wird hochgekocht, um den Tourismus boomen zu lassen. Endzeitstimmung als Mittel des Marketing. Ganz schön geschickt. Es gibt da so einen Sylt-Guide für Trinker. Der lockt die ganzen Suffköppe nach Sylt und animiert sie, sich rund um die Uhr mit den edelsten Getränken zu tränken, bevor die Fische ihre Runden durch die Lokale ziehen. Bis die Insel wirklich in den Fluten versinkt, werden der Autor, dieser Säuferguru, und seine Leserschaft längst an ihrer Leber krepiert sein. Geschieht ihnen recht.«
    Wusste ich doch, dass die Schnepfe nicht meinem Beuteschema entsprach. Humorlos. Typisch Justiz! Waren mir schon immer suspekt, diese Paragrafenreiter. »Kennen Sie diesen Säuferguru?«
    »Nein. Mit Alkoholikern pflege ich keinen Umgang.« Sie schüttelte sich pikiert.
    »Aber ich kenne ihn«, bekannte ich selbstzufrieden. »Nicht persönlich. Ich weiß nur, wer hinter dem Pseudonym steckt. Ein Verwaltungsrichter.«
    Die Tusse stutzte. »Ein Richter? Woher wissen Sie …?«
    »Gute Frage. Ich arbeite in der Verlagsbranche. Da kennt man seine Pappenheimer. Natürlich darf ich keine Namen verraten. Aber man hat so seine Hintergrundinformationen. Und Sie wissen wahrscheinlich besser als ich: Hinter den Talaren verbergen sich die schlimmsten Schluckspechte. Da sieht man den Flachmann nicht.«
    Die Alte wollte gerade zu ihrem Weinglas greifen, aber dann hielt sie unsicher inne.
    »Gute Frau«, ermunterte ich sie, »lassen Sie sich den Riesling trotzdem munden. Trinken hilft. Gerade in der Justiz. Demnächst erscheint ein Buch darüber, das könnte Sie interessieren: Talare zur Tarnung: Gar nicht trocken, die Justiz .« Ich hob mein Glas, nickte ihr zu, trank es aus und stand auf. »Dann mal auf zu neuen Ufern«, sagte ich abschließend und ließ sie verdutzt zurück. Das Schiff peilte den Hafen Almeria an. Ein Landgang wäre eine gute

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