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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxi Buhl
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Möglichkeit, solchen Weibern wie dieser Hanseatin aus dem Weg zu gehen.
    »Man sieht sich«, hörte ich sie mir hinterhermurmeln. Bloß nicht, dachte ich bei mir und verschwand im Getümmel.
    So paradox es klingt: Landgänge festigen die Bindung des Passagiers an sein Kreuzfahrtschiff. So eine schwimmende Hochzeitstorte ist eine Festung, die den Gast für die Dauer der Quarantäne vor dem wirklichen Leben schützt. Mag sein, dass einem das Verwöhnprogramm des knallhart eingepeitschten Personals in den ersten Stunden an Bord übertrieben erscheint und vielleicht sogar peinlich ist. Aber nach einem Tag ist man auch als politisch korrekter, zur Reflexion neigender Demokrat so sehr verweichlicht, dass man irritiert die Augenbrauen hebt, wenn der Sommelier nicht vor dem letzten Schluck zum Nachschenken bereitsteht, wenn der Decksteward einem nicht sofort die davongeflatterte Zeitung aufhebt oder die Damen am Info-Counter noch ihren angefangenen Satz zu Ende sprechen, bevor sie sich dem Gast mit einstudiertem Servicelächeln zuwenden.
    Die Hierarchie innerhalb der Besatzung ist wie in Stein gemeißelt und wird von hellhäutigen Controllern mit angestrengten Physiognomien wortlos verteidigt. Ganz oben thronen die Weißuniformierten aus den klassischen Herrenländern, sie lächeln nie und treten oberarztmäßig nur mit Entourage auf. Ihr Blick schwebt immer zwei Meter über den Köpfen der Normalsterblichen, weit oben, wo offensichtlich die großen Fragen der Menschheit ihrer Erörterung harren. Eine Stufe darunter rangiert das mittlere Management in Marineblau, ausnahmslos aus der Eurozone rekrutiert und so synchron in ihrem Kompetenzgehabe, als stammten sie allesamt von derselben Stammzelle aus dem Genpool der Scientologen ab. Deren Anordnungen werden von diensteifrigen Vasallen aus den ehemaligen Ostblockstaaten durchgeführt, und ganz unten strampeln sich zierliche Menschen in unterschiedlichen Abstufungen von gelber bis schwarzer Hautfarbe ab.
    Als Gast darf man so einem Lakai niemals die Arbeit wegnehmen, also niemals eine Sonnenliege selbst verrücken, ein Tablett selbst zurückstellen oder eine Deckchair-Wolldecke selbst zusammenfalten. Denn damit bringt man den Drittweltsklaven in die Bredouille, obwohl man ihn ja bloß entlasten wollte. Ist mir passiert, als ich es einmal wagte, den Sonnenschirm eigenhändig aufzuspannen. Den herbeiflitzenden Boy (aus Sri Lanka) wehrte ich dankend ab, das könne ich doch selbst, meinte ich partnerschaftlich, don’t care about. Er war einen Kopf kleiner als ich und musste sich mordsmäßig strecken, und ich wollte sowieso aufstehen und zur Toilette. Dieser arme Wurm kämpfte neben mir um seine Daseinsberechtigung, weil ich ein Gutmensch sein wollte. Er bekam sofort einen Verweis von seinem Servicemaster (Bulgare), und ich erwog sogar, ob ich dem nicht den Sachverhalt erklären sollte, aber dann wäre der wiederum von seiner italienischen Vorgesetzten zusammengestaucht worden. So ist die Hackordnung.
    Philanthropische Regungen haben auf einem 5-Sterne-Kreuzer also nichts verloren. Man muss umdenken. Oder noch besser: gar nicht mehr denken. Alles vergessen, was man gelernt hat, was einem im mühsamen Prozess der Sozialisierung anerzogen worden ist. Selbstständig handeln, Verantwortung übernehmen, teilen, helfen, der ganze Kant’sche Imperativ, alles überflüssig. Hier, wo der Kunde König ist, macht er am wenigsten Umstände, wenn er sich entwicklungspsychologisch in einen Säugling zurückverwandelt. Im Klartext: sich füttern lassen, pflegen lassen, brav an der Flasche nuckeln und sich von Big Mother , dem Entertainment-Team, sanft durch den Tag wiegen lassen.
    Wie schnell man das Niveau eines Säuglings erreicht hat, merkt man, sobald man via Landgang in die Wirklichkeit entlassen wird. Andalusien soll zauberhaft sein. Sagt man. Aber nicht, wenn man in der Osterwoche, also in der Hochsaison, für acht Stunden an Land gespuckt wird, wo einen die Meute von Händlern am Anlegequai mit ihren Souvenirs made in Taiwan wie ein Sturmtrupp überfällt. Sie verfolgen einen, bis man resigniert sein Portemonnaie zückt. Wer sich nicht auf einen Handel einlässt, kann später, wenn er sich erschöpft nach einer Osborne-Destille umschaut, feststellen, dass seine Brieftasche nicht mehr da ist, wo sie sein sollte. Pech. Angeblich sei das Hafengelände unter den konkurrierenden Diebesbanden präzise aufgeteilt, munkelte man im Bus.
    Ja, ich gestehe es: Ich war in einen der Busse geflüchtet,

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