Trinken hilft
getaufte Christen verhungern dürfen. Ich kenne diese Moralisten, man muss ihnen das Handwerk legen, sie sollen nicht ungeschoren davonkommen.
Lieber Papa, schrieb ich auf zartrosa Bütten ,
ich bin Deine Tochter. Habe es kürzlich erst erfahren. Mama hat Dir vor 25 Jahren in Chamonix das Kreuz eingerenkt, erinnerst Du Dich? Sie war dieser fesche Engel mit den Sommersprossen, die habe ich von ihr geerbt. Von Dir dürfte ich die Augen und die Kringellocken haben, wenn ich Dich im Fernsehen so betrachte. Und vielleicht meine Vorliebe für Latein, da war ich Klassenbeste. Jetzt studiere ich Jura, aber nicht Kirchenrecht, Gott bewahre! Ich würde Dich gerne persönlich kennenlernen. Was hältst Du davon? Du bist ja bekannt für Deinen Familiensinn. Eine Freundin von Mama wohnt in Rom, nicht weit vom Petersplatz, dort kann ich jederzeit übernachten. Der Vatikan ist ja eher ein Männerhaushalt. Gib mir Bescheid, wann Dir mein Besuch genehm ist, über Weihnachten hätte ich Zeit. Das wäre ein stimmiger Anlass, Heilige Familie und so. Hab ich recht? Ich freue mich auf Deine Antwort und grüße Dich aus der Heimat. Viva il Papa! Es leben die Väter!
Herzlichst, Deine Tochter Annabelle
Weihnachten rückte näher, und ich hatte noch immer keine Antwort auf meinen Brief erhalten. Manchmal sah ich ihn im Fernsehen unterernährte Kinder küssen und großzügig seinen Segen über die Massen verteilen. Dir werd ich helfen, schwor ich ihm, bei fremden Kindern auf Stimmenfang gehen und dein eigenes Kind am langen Ast verdorren lassen. Nicht mit mir!
Heiliger Vater, tippte ich wütend in meinen Computer ,
Weihnachten ist vorüber und somit eine wunderbare Gelegenheit für uns beide, unsere Verwandtschaft nach christlicher Tradition miteinander zu feiern. Schade. Ich weiß, Du hast viel um die Ohren, aber nur Beten genügt halt nicht. Liebe ist Handeln, alles andere ist bloß Geschwafel, machen wir uns nichts vor. Nun gut, in drei Monaten feiern wir Ostern, da bist Du wie immer in Rom, und ich werde auch dort sein. Eine Audienz unter vier Augen bei einer Tasse Darjeeling ist das Mindeste, was ich als Tochter erwarte, den Lammbraten kannst Du meinetwegen mit Deinen Pfaffen teilen. Versuch bloß nicht, Dich wieder zu drücken! Gott sieht alles. Deine Antwort kannst Du mir gerne als Mail zukommen lassen, das ist diskreter, ich kenne euch Männer doch. Und nun wünsche ich Dir unterhaltsame Reisen, Vorsicht beim Küssen wegen Aids!
Mit freundlichen Grüßen, Annabelle
Ostern war ich in Rom. Ich sah ihn auf dem Bildschirm, wie er einen Kilometer entfernt von mir sein Urbi et Orbi zelebrierte, näher sollte ich ihm nicht mehr kommen. Wieder zu Hause erwog ich, zum Lamaismus überzutreten. Der Dalai Lama kommt mir authentischer vor. Vorher suchte ich aber meinen Tutor in Wien auf, einen Familienanwalt mit bester Reputation, um ihn mit meiner Angelegenheit zu betrauen. Der fackelte nicht lange herum:
In Sachen Annabelle R. gegen Seine Heiligkeit Papst S. etc. bin ich beauftragt, die Unterhaltsansprüche meiner Mandantin gegenüber ihrem Vater, dem Beklagten, rückwirkend für die vergangenen 25 Jahre geltend zu machen. Unter Zugrundelegung eines dem väterlichen Standard entsprechenden Lebensstils erlaube ich mir eine monatliche Zahlung von Euro 3500,- anzusetzen, das macht für 300 Monate 1.050.000,- Euro. Sollte die Vaterschaftsfrage für den Beklagten strittig sein, kann er sich gerne mittels DNA-Analyse davon überzeugen.
Wenn Ihm an einer diskreten Handhabung der Angelegenheit gelegen ist, empfehlen wir, die Summe binnen zwei Wochen auf folgendes Konto bei der Liga-Bank zu überweisen. Andernfalls sähe sich die Klägerin gezwungen, ihr Manuskript mit dem Titel »Hallo Papa: Memoiren einer Tochter aus Heiliger Familie« in Druck zu geben.
Was soll ich sagen? Er zahlte. Und doch. Mir wäre lieber gewesen, ich hätte die Wahrheit nie erfahren. Jetzt wissen Sie, warum ich den Typ persönlich nehme.
Sapperlot!, das Mädel hat Fantasie, war mein erster Gedanke, nachdem sie geendet hatte. Wenn sie im Bett genauso erfinderisch war, stünde mir ein aufregendes Notturno bevor …
»Und? Was sagen Sie jetzt?«, fragte sie mich nach einem Schluck Bloody Mary, um ihre Kehle zu ölen.
»Hübsche Geschichte«, gab ich zu. »Könnte gut ankommen. Soll ich Ihnen einen Verlag vermitteln?«
»Nicht nötig«, wehrte sie ab. »Ich sagte ja: Er hat bezahlt. Mit der Million hat er nicht nur seine Schuld beglichen, sondern sich auch meine
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