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Trinken hilft

Trinken hilft

Titel: Trinken hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxi Buhl
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Geschirrspüler stank es, der Wäschekorb quoll über und die Zucchini im Gemüsefach waren verschimmelt. Von was hat der Mann gelebt? Er isst doch abends so gern warm …? Ich hatte keine Lust zum Aufräumen, ich war müde von der langen Zugfahrt, das Warten auf Rune machte mich nervös. Ich wollte mich mitteilen. Also rief ich Maybritt an.
    Ihr Mann war am Apparat. Ich hatte ihn noch nie gesehen, aber ich wusste schon allerhand über ihn. Maybritt sei in der Volkshochschule, sagte er, ein Workshop, Bauchtanzen oder so ähnlich, er wisse nicht genau, wann sie heimkäme.
    Schade, dachte ich, heute bin ich überflüssig. »Bauchtanzen, das kenne ich, hab ich schon hinter mir«, sagte ich resigniert und wollte gerade auflegen.
    Da schlug er mir vor, runterzukommen, Prinzessin Praline sei heute besonders verspielt und ließe ihm keine Ruhe und überhaupt: »Wäre es nicht an der Zeit, dass wir uns endlich kennenlernen, nachdem ihr Frauen doch …?! Und gemeinsam fällt das Warten leichter.«
    »Gern«, sagte ich, plötzlich beschwingt, »darf ich meine Zigaretten mitbringen?«
    »Aber bitte«, erwiderte er, »und vergessen Sie nicht das Feuerzeug, ich musste meine Pfeife eben am Kaminfeuer anzünden und hätte mir beinahe die Finger verbrannt.«
    Ein Pfeifenraucher, das hörte sich gemütlich an. Fast wünschte ich, Rune möge nicht gerade in den nächsten fünf Minuten erscheinen und mich in meiner Aufbruchsstimmung überraschen. Schnell packte ich meine Siebensachen zusammen, schüttete den zudringlichen Katern eine Riesenportion Knabberlis auf ihre Teller – quasi als Entschädigung dafür, dass ich sie schon wieder verließ – und nahm den Notizblock in die Hand, um meinem Mann eine Nachricht zu hinterlassen.
    Aber dann überlegte ich es mir anders, malte meine Lippen kirschrot nach, ein Spritzer Chanel auf den Nacken und schloss hinter mir ab. Geschafft! Warum ich mir auf einmal leichtfüßig und beflügelt vorkam, beinahe wie ein Schulmädchen, das die elterlichen Verbote heimlich unterlief, weiß ich auch nicht. Mir war, als würde ich eine Grenze überschreiten, eine neue Welt betreten. Dabei sind es doch bloß ein paar Schritte durch die Wildnis bis zum Nachbarhaus.
    Olaf bat mich hinein. Sophia alias Praline stutzte bei meinem Eintreffen, als vermute sie Unheil, als erwarte sie die Rabauken in meinem Schlepptau. Aber als sie begriff, dass ich alleine kam, entspannte sie sich und hüpfte auf meinen Schoß. Wie in alten Zeiten, dachte ich, zündete mir eine Zigarette an, reichte Olaf das Feuerzeug und fühlte mich wohl.
    Er ist ein charmanter Mann. Ganz anders, als Maybritt ihn beschrieben hatte. Klar, er hat Probleme mit der Gesundheit, wer hat das nicht jenseits der fünfzig? Bei ihm seien es die Zähne, gestand er mir. Paradontitis, Zahnhalsentzündung. Käme vom Rauchen. Ich nickte. Wer wüsste besser darüber Bescheid als ich? Mit meinem Mann konnte ich darüber nicht reden. Er ist Nichtraucher und hat ein Gebiss wie ein Neandertaler. Keine einzige Krone. Nicht einmal eine Füllung. Jedes Mal, wenn ich mir eine Zigarette anzündete, traf mich sein strafender Blick, als würde ich mir die finale Spritze in die Ader jagen. Manchmal habe ich mich schon gefragt, ob dieser gesunde Mann meiner Gesundheit überhaupt zuträglich war. Olaf hustete den typischen Raucherhusten, der Arme. Ich kannte das. Lästig, peinlich, aber Herrgott! Ein Teil unseres Lebens, unseres unaufhaltsamen Verfalls. Das Leben verbraucht uns, Raucher wie Nichtraucher, macht uns schwächer, anfälliger, älter. Die Raucher wissen wenigstens, warum sie kränkeln. Weil sie gesündigt haben. Mein Mann hätte sich jetzt geräuspert und gesagt: Mach nur weiter so! Er ist ein stattlicher, sportlicher Typ, ein Kerl wie seine Kater, den bringt nichts um.
    Olaf erzählte mir, welche Strapazen er in den letzten Monaten beim Zahnarzt ertragen musste. Stundenlange Behandlungen, er war fast ohnmächtig von den Spritzen, und hinterher konnte er tagelang nur noch Grießbrei zu sich nehmen.
    »Ich weiß. Man möchte am liebsten sterben«, sagte ich. »Man glaubt nicht, dass man jemals wieder lachen kann. Alles spannt. Der Kiefer eine einzige Wunde.«
    »Genau«, sagte er. »Man ist kein Mensch mehr. Man ist eine Baustelle. Eine Bauruine. Und keiner hat Mitleid. Nur kluge Ratschläge, das ist das Schlimmste.« Er entkorkte eine Flasche Mateus Rosé, den liebe ich besonders. »Dürfte ich eigentlich nicht trinken«, sagte er traurig, »der Blutzuckerspiegel.

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