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Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)

Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)

Titel: Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniil Charms
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die Dame und rückte unwillkürlich von Klopow ab.
    »Aha«, sagte Klopow. »Wenn ein dünnes Porzellantässchen vom Schrank fällt und abwärtsfliegt, wissen Sie schon in dem Moment, während es noch durch die Luft fliegt, dass es den Boden berühren und in Stücke springen wird. Und ich weiß, wenn ein Mensch einen anderen mit dem kupfernen Blick ansieht, wird er ihn unweigerlich umbringen.«
     
    »Haben die mich mit dem kupfernen Blick angesehen?«, fragte die Dame mit den gelben Handschuhen. »Ja, gnädige Frau«, sagte Klopow und setzte die Mütze auf.
    Eine Weile schwiegen beide.
    Klopow saß da, den Kopf tief gesenkt.
    »Vergeben Sie mir«, sagte er plötzlich leise.
    Die Dame mit dem gelben Handschuhen sah Klopow erstaunt an und sagte nichts.
    »Es ist alles nicht wahr«, sagte Klopow. »Ich habe das mit dem kupfernen Blick erfunden, gerade eben, hier, während ich mit Ihnen auf der Bank sitze. Wissen Sie, ich habe heute meine Uhr kaputtgemacht, und alles erscheint mir in einem düsteren Licht.«
    Klopow nahm ein Taschentuch aus der Tasche, faltete es auseinander und hielt der Dame die kaputte Uhr hin.
    »Ich habe sie sechzehn Jahre lang getragen. Verstehen Sie, was das bedeutet? Die Uhr kaputtzumachen, die sechzehn Jahre lang hier unter meinem Herzen getickt hat? Haben Sie eine Uhr?«
     
    <1935>
     
     
    Wenn eine Ehefrau allein irgendwohin verreist, läuft der Ehemann im Zimmer auf und ab wie Falschgeld.
    Seine Fingernägel werden schrecklich lang, der Kopf zittert, und das Gesicht bedeckt sich mit kleinen schwarzen Punkten. Die anderen Mieter in der Kommunalka trösten den verlassenen Ehemann und geben ihm Schweinssülze zu essen. Doch der verlassene Ehemann verliert den Appetit und ernährt sich hauptsächlich von Tee ohne alles.
    Zur gleichen Zeit badet seine Frau in einem See und streift ganz zufällig mit dem Fuß einen Strunk. Ein Hecht kommt unter dem Strunk hervorgeschwommen und beißt die Ehefrau in die Ferse.
    Die Ehefrau springt mit einem Aufschrei aus dem Wasser und rennt zum Haus. Die Tochter der Wirtin kommt ihr entgegen. Die Ehefrau zeigt der Tochter der Wirtin ihren verletzten Fuß und bittet sie, ihn zu verarzten.
    Am Abend schreibt die Ehefrau ihrem Ehemann einen Brief und schildert ausführlich ihr Missgeschick. Der Ehemann liest den Brief und regt sich dermaßen auf, dass er ein Glas Wasser fallen lässt, welches zu Boden fällt und zerbricht.
    Der Ehemann sammelt die Glasscherben auf und verletzt sich an der Hand.
    Nachdem er sich den verletzten Finger verbunden hat, setzt sich der Ehemann hin und schreibt seiner Ehefrau einen Brief. Dann geht er auf die Straße, um den Brief in den Postkasten zu werfen.
    Doch auf der Straße findet der Ehemann eine Papirossy-Schachtel, und in der Schachtel 30.000 Rubel. Der Ehemann lässt seine Ehefrau auf dem schnellsten Wege heimkommen, und sie beginnen ein glückliches Leben.
     
    <1935>
     
    »Trinken Sie Essig, meine Herren«, sagte Schujew.
    Doch keiner gab einen Ton von sich.
    »Meine Herren!«, rief Schujew. »Ich schlage Ihnen vor, Essig zu trinken!«
    Makaronow schälte sich aus seinem Sessel und sagte:
    »Ich begrüße den Gedanken von Schujew. Also trinken wir Essig.«
    Rastopjakin sagte:
    »Ich werde keinen Essig trinken.«
    Hier trat Schweigen ein, und alle sahen Schujew an. Schujew saß da mit steinernem Gesichtsausdruck. Es war unklar, woran er dachte.
    Etwa drei Minuten verstrichen.
    Sutschkow hüstelte hinter vorgehaltener Hand. Rywin kratzte sich am Mund. Kaltajew rückte sich den Schlips zurecht. Makaronows Ohren und Nase zuckten. Und Rastopjakin, im Sessel zurückgelehnt, sah gleichgültig in den Kamin.
    Noch etwa sieben oder acht Minuten verstrichen.
    Rywin stand auf und ging auf Zehenspitzen aus dem Zimmer. Kaltajew sah ihm hinterher.
    Als sich die Tür hinter Rywin geschlossen hatte, sagte Schujew:
    »So. Den Meuterer wären wir los. Zum Henker mit dem Meuterer!« Alle wechselten erstaunte Blicke, und Rastopjakin hob den Kopf und starrte Schujew an.
    Schujew sagte streng:
    »Einer, der meutert, ist ein Lump!«
    Sutschkow zuckte unterm Tisch vorsichtig die Achseln.
    »Ich bin dafür, Essig zu trinken«, sagte Makaronow kleinlaut und sah Schujew erwartungsvoll an. Rastopjakin bekam einen Schluckauf, wurde verlegen und errötete wie ein junges Mädchen.
    »Tod den Meuterern!«, rief Sutschkow, seine schwärzlichen Zähne bleckend.
     
    <1933–1935>
     
    Anton Antonowitsch rasierte sich den Bart ab, und alle seine Freunde

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