Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)
einen Arzt aufzusuchen.
27. August 1936
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Die Kassiererin
Mascha fand einen Pilz, pflückte ihn ab und brachte ihn zum Markt. Auf dem Markt haute man Mascha eins auf den Kopf und drohte damit, ihr auch noch gegen die Beine zu treten. Mascha bekam Angst und rannte davon. Sie lief zum Kooperativladen und wollte sich dort hinter der Kasse verstecken. Der Geschäftsleiter entdeckte Mascha und sagte: »Was hast du da in der Hand?« Und Mascha sagte: »Einen Pilz.« Der Geschäftsleiter sagte: »Schau einer an, du bist ja gar nicht auf den Mund gefallen! Willst du, dass ich dich hier unterbringe?« Mascha sagte: »Machst du ja doch nicht.« Der Geschäftsleiter sagte: »Und ob ich das mache!« Und er setzte Mascha hinter die Kasse, damit sie die Kurbel drehte. Mascha drehte und drehte die Kassenkurbel und fiel plötzlich tot um. Die Miliz kam, setzte ein Protokoll auf und verdonnerte den Geschäftsleiter zu 15 Rubel Strafe.
Der Geschäftsleiter fragte: »Weswegen werde ich denn bestraft?« Und die Miliz sagte: »Wegen Mord.« Der Geschäftsleiter bekam es mit der Angst zu tun, bezahlte rasch die Strafe und sagte: »Schafft mir bloß schnell die tote Kassiererin hier weg.« Der Verkäufer aus der Obstabteilung sagte: »Nein, das stimmt nicht, sie war gar keine Kassiererin. Sie hat nur die Kassenkurbel gedreht. Die Kassiererin sitzt da drüben.« Die Miliz sagte: »Uns doch egal; wir sollen die Kassiererin wegbringen, also machen wir das auch.«
Die Miliz näherte sich der Kassiererin. Die Kassiererin legte sich hinter der Kasse auf den Boden und sagte: »Ich komme nicht mit.«
Die Miliz sagte: »Und warum nicht, du dumme Gans?« Die Kassiererin sagte: »Sie werden mich lebendig begraben.«
Die Miliz versuchte die Kassiererin hochzuheben, aber ohne Erfolg, denn die Kassiererin war sehr füllig. »Packt sie doch einfach an den Beinen«, sagte der Verkäufer aus der Obstabteilung.
»Auf keinen Fall«, sagte der Geschäftsleiter, »diese Kassiererin verwende ich als Ehefrau. Darum bitte ich Sie, entblößen Sie sie untenrum nicht.« Die Kassiererin sagte: »Hören Sie? Wagen Sie es nicht, mich untenrum zu entblößen.«
Die Miliz fasste die Kassiererin unter den Achseln und schleifte sie aus der Kooperative.
Der Geschäftsleiter wies die Verkäufer an, im Laden Ordnung zu schaffen und mit dem Verkauf zu beginnen.
»Und was sollen wir mit der Verstorbenen machen?«, sagte der Verkäufer aus der Obstabteilung und zeigte auf Mascha. »Ach du meine Güte«, sagte der Geschäftsleiter, »wir haben ja alles verwechselt! In der Tat, was machen wir mit der Verstorbenen?«
»Und wer sitzt jetzt an der Kasse?«, fragte der Verkäufer. Der Geschäftsleiter griff sich mit beiden Händen an den Kopf. Mit dem Knie stieß er die Äpfel auf der Ladentheke auseinander und sagte:
»Was für ein Schlamassel!«
»Was für ein Schlamassel«, sagten die Verkäufer im Chor. Auf einmal kratzte sich der Geschäftsleiter am Schnurrbart und sagte:
»He-he! So leicht lass ich mich nicht ins Bockshorn jagen! Wir setzen die Verstorbene an die Kasse, vielleicht merken die Kunden gar nicht, wer da an der Kasse sitzt.«
Sie setzten die Verstorbene an die Kasse, klemmten ihr eine Papirossa zwischen die Zähne, damit sie lebendiger aussah, und drückten ihr der Glaubwürdigkeit wegen den Pilz in die Hand. Da sitzt die Verstorbene wie lebendig an der Kasse, nur die Gesichtsfarbe ist sehr grün, und das eine Auge ist offen, das andere ganz zu.
»Macht nichts«, sagt der Geschäftsleiter, »wird schon hinhauen.«
Die Kunden klopfen bereits aufgeregt an die Tür: Warum macht die Kooperative noch nicht auf? Besonders eine Hausfrau im weiten Seidenmantel macht ein Mordsgeschrei, sie fuchtelt mit dem Geldbeutel herum und zielt schon mit dem
Absatz auf die Türklinke. Hinter der Hausfrau steht eine kleine Alte mit einem Kissenbezug auf dem Kopf und schreit und schimpft und nennt den Geschäftsleiter einen elenden Pfennigfuchser.
Der Geschäftsleiter machte die Türen auf und ließ die Kundschaft ein. Die Kundschaft rannte sofort in die Fleischabteilung und dann dorthin, wo Zucker und Pfeffer verkauft wurden. Die kleine Alte marschierte geradewegs in die Fischabteilung, aber unterwegs warf sie einen Blick auf die Kassiererin und blieb stehen.
»Allmächtiger«, sagt sie, »steh uns bei!«
Die Hausfrau im weiten Seidenmantel hat bereits alle Abteilungen durch und stürmt direkt auf die Kasse zu. Doch kaum ist sie der Kassiererin ansichtig
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