Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)
erkannten ihn nicht mehr.
»Wie ist das denn möglich«, sagte Anton Antonowitsch, »ich bin es doch, Anton Antonowitsch. Ich hab mir nur den Bart abgenommen.«
»So, so!«, sagten die Freunde. »Anton Antonowitsch hatte aber einen Bart, und Sie haben keinen.«
»Ich sag euch doch, dass ich einen Bart hatte, aber ich hab ihn mir abgenommen«, sagte Anton Antonowitsch.
»Da kann ja jeder kommen und sagen, früher hatte ich einen Bart!«, sagten die Freunde.
»Also wirklich, was soll denn das«, sagte Anton Antonowitsch erbost, »und wer bin ich dann eurer Meinung nach?«
»Das wissen wir nicht«, sagten die Freunde, »Anton Antonowitsch jedenfalls nicht.«
Anton Antonowitsch war fassungslos und wusste nicht, was er tun sollte. Er ging die Naskakows besuchen, doch dort traf er auf erstaunte Gesichter, und man fragte: »Zu wem wollen Sie?«
»Zu Ihnen, Marussenka!«, sagte Anton Antonowitsch. »Erkennen Sie mich womöglich nicht?«
»Nein«, sagte Marussja Naskakowa und wurde neugierig.
»Warten Sie mal, habe ich Sie vielleicht bei Walentina Petrowna gesehen?«
»Wie kommen Sie nur darauf, Marussja!«, sagte Anton Antonowitsch. »Schauen Sie mich doch mal genau an. Erkennen Sie mich?«
»Moment, Moment … Nein, ich kann mich nicht erinnern, wer Sie sind«, sagte Marussja.
»Ich bin’s doch, Anton Antonowitsch!«, sagte Anton Antonowitsch. »Haben Sie mich jetzt erkannt?« »Nein«, sagte Marussja, »Sie machen sich über mich lustig.«
<1934–1937>
Zwei Leute kamen ins Gespräch. Wobei der eine immer bei Vokalen stotterte, der andere bei Vokalen und bei Konsonanten.
Als sie zu sprechen aufhörten, war das sehr angenehm – als ob man einen Petroleumkocher abgedreht hätte.
<1936–1937>
Möchten Sie, dass ich Ihnen eine Geschichte über diesen Kikrukiki erzähle? Das heißt, nicht Kikrukiki, sondern Kirikuki. Oder nein, nicht Kirikuki, sondern Krikikiku. Puh! Nicht Krikikiku, sondern Kukerukiki. Nein, nicht Kukerukiki, sondern Kerikrukiki. Nein, wieder falsch! Krikrikruku? Nein, nicht Krikrikruku! Kirikurkiki? Nein, wieder falsch!
Ich hab vergessen, wie dieser Vogel heißt. Und wenn ich es nicht vergessen hätte, dann würde ich Ihnen eine Geschichte erzählen. Über diesen Kikerikikrukukiki.
<1934–1935>
Es heißt, demnächst wird allen Weibern der Hintern abgesäbelt, und dann lässt man sie auf der Wolodarskaja flanieren.
Das stimmt nicht! Man wird den Weibern nicht den Hintern absäbeln.
Ein dicker Mann erfand eine Methode, um abzunehmen. Und er nahm ab. Da bedrängten ihn die Damen mit Fragen, wie er es geschafft habe abzunehmen. Aber der Mann, der abgenommen hatte, antwortete den Damen, dass abzunehmen einem Manne gut zu Gesicht stehe, Damen aber nicht, Damen hätten füllig zu sein, so er. Und er hatte vollkommen recht.
<1930er Jahre>
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Schicksal einer Professorengattin
Einmal hatte ein Professor etwas gegessen, aber wohl etwas Falsches, und er musste sich übergeben. Seine Frau kam zu ihm und sagte: »Was ist mit dir?« Der Professor sagte: »Nichts.« Seine Frau ging wieder. Der Professor legte sich auf die Ottomane, blieb eine Weile liegen, erholte sich etwas und ging zur Arbeit.
An seiner Arbeitsstelle wartete eine Überraschung auf ihn, man hatte ihm das Gehalt gekürzt: Statt 650 Rubel bekam er nur noch ganze 500. Der Professor wandte sich hierhin und dorthin – ohne Erfolg. Der Professor ging zum Direktor, aber der Direktor warf ihn raus. Der Professor ging zum Buchhalter, aber der Buchhalter sagte: »Wenden Sie sich an den Direktor.« Der Professor stieg in den Zug und fuhr nach Moskau.
Unterwegs fing sich der Professor eine Grippe ein. In Moskau angekommen, konnte er nicht allein aus dem Zug steigen. Man legte den Professor auf eine Trage und brachte ihn ins Krankenhaus.
Der Professor lag keine vier Tage im Krankenhaus und starb. Der Leichnam des Professors wurde im Krematorium verbrannt, die Asche in eine Blechbüchse getan und an seine Frau geschickt.
Da sitzt die Frau des Professors und trinkt Kaffee. Plötzlich läutet es. Wer kann das sein? »Ein Päckchen für Sie.« Die Ehefrau ist begeistert, sie strahlt übers ganze Gesicht, drückt dem Postboten einen halben Rubel in die Hand und macht eilig das Päckchen auf.
Sie schaut hinein, und in dem Päckchen sind die Blechbüchse mit der Asche und ein Zettelchen: »Das ist alles, was von Ihrem Gatten übrig ist.«
Die Ehefrau versteht überhaupt nichts mehr. Sie
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