Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)
einen Duchan?«, fragte Augenapfel.
Der Reiter zeigte sich auf Ohren und Mund.
»Was ist, bist du vielleicht taubstumm?«, fragte Augenapfel.
Der Reiter kratzte sich im Nacken und zeigte sich auf den Bauch.
»Was soll das?«, fragte Augenapfel.
Der Reiter holte ein hölzernes Ei aus der Jackentasche und biss es mittendurch.
Das war Augenapfel nicht geheuer, und er trat den Rückzug an.
Aber der Reiter zog einen Stiefel aus und brüllte dabei: »Chal kalai!«
Augenapfel tat einen Satz zur Seite und fiel den Abhang hinunter.
In dem Moment kam Bibikow, der noch vor Augenapfel ein zweites Mal den Abhang hinuntergefallen war, wieder zu sich und rappelte sich hoch auf alle viere. Plötzlich spürte er: Von oben fiel jemand auf ihn herab. Bibikow kroch zur Seite, besah sich die Sache von dort aus: Da lag ein Mann in
karierter Hose. Bibikow setzte sich auf einen Stein und war
tete ab.
Der Mann in karierter Hose blieb etwa vier Stunden lang reglos liegen, dann hob er den Kopf und fragte weiß Gott wen:
»Wem gehört dieser Duchan?«
»Von wegen Duchan! Das ist kein Duchan«, antwortete Bibikow.
»Und wer sind Sie?«, fragte der Mann in karierter Hose.
»Bergsteiger Bibikow. Und wer sind Sie?«
»Bergsteiger Augenapfel.«
So haben sich Bibikow und Augenapfel kennengelernt.
Charms
1.–2. September 1936
»Duchan«: kleines kaukasisches Restaurant oder Wirtshaus.
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Über Puschkin
Es ist schwer, jemandem etwas über Puschkin zu sagen, der nichts über ihn weiß. Puschkin ist ein großer Dichter. Napoleon ist weniger groß als Puschkin. Und Bismarck ist im Vergleich zu Puschkin eine Null. Und die Alexanders, der Erste, der Zweite und der Dritte, sind allesamt Pfeifen im Vergleich zu Puschkin. Eigentlich sind alle Leute im Vergleich zu Puschkin Pfeifen, nur im Vergleich zu Gogol ist Puschkin selbst eine Pfeife.
Und darum will ich lieber über Gogol schreiben statt über Puschkin.
Obwohl Gogol ja so groß ist, dass man über ihn gar nichts schreiben darf, darum will ich trotz allem lieber über Puschkin schreiben.
Aber nach Gogol über Puschkin zu schreiben, ist irgendwie gemein. Und über Gogol darf man nicht schreiben. Darum schreibe ich besser über keinen von beiden.
Charms
15. Dezember 1936
Alexander Puschkin (1799–1837), Dichter, Dramatiker und Essayist, der bedeutendste russische Klassiker. Nikolai Gogol (1809–1852), russischukrainischer Schriftsteller, gilt als Meister der grotesken Prosa.
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Der Ritter
Alexej Alexejewitsch Alexejew war ein echter Ritter. Einmal zum Beispiel, als er aus der Straßenbahn beobachtete, wie eine Dame gegen einen Prellstein lief und aus ihrer Einkaufstasche einen Glasschirm für eine Tischlampe fallen ließ, der sofort zerbrach, beschloss er, sich zu opfern, um der Dame zu helfen, sprang bei voller Fahrt aus der Straßenbahn, fiel hin und schrammte sich an einem Stein die ganze Fresse auf. Ein andermal sah Alexej Alexejewitsch, wie eine Dame über einen Zaun kletterte, mit dem Rock an einem Nagel hängen blieb und so feststeckte, dass sie, rittlings auf dem Zaun sitzend, weder vor noch zurück konnte, und er steigerte sich dermaßen hinein, dass er sich vor lauter Aufregung mit der Zunge zwei Vorderzähne herausdrückte. Mit einem Wort, Alexej Alexejewitsch war fürwahr ein echter Ritter, und dies nicht nur in Bezug auf Damen. Mit unglaublicher Leichtigkeit konnte Alexej Alexejewitsch sein Leben für Glauben, Zar und Vaterland opfern, was er auch im Jahre 14 bewies, zu Beginn des Deutschen Krieges, als er sich mit dem Ruf »Für das Vaterland!« aus einem Fenster im zweiten Stock auf die Straße stürzte. Wie durch ein Wunder blieb Alexej Alexejewitsch am Leben und kam mit ein paar harmlosen Prellungen davon, und schon bald schickte man ihn als außergewöhnlich glühenden Patrioten an die Front.
An der Front zeichnete sich Alexej Alexejewitsch durch ungeheuer erhabene Gefühle aus, und jedes Mal, wenn er die Worte Fahne, Fanfare oder auch bloß Epauletten in den Mund nahm, kullerte ihm eine Träne der Rührung über die Wange. Im Jahr 16 wurde Alexej Alexejewitsch an den Lenden verwundet und von der Front abgezogen.
Als Kriegsinvalide ersten Grades musste Alexej Alexejewitsch nicht arbeiten. Er nutzte die freie Zeit und brachte seine patriotischen Gefühle zu Papier.
Einmal sagte Alexej Alexejewitsch im Gespräch mit Konstantin Lebedjew seinen Lieblingssatz: »Ich habe mich für das Vaterland geopfert und meine Lenden ruiniert,
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