Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)
ins Dorf zu zeigen, wo sich gerade der russische Zar Michail Romanow befunden haben soll. Stattdessen führte sie Sussanin tief in den Wald in die Sümpfe, wo sie ihn schließlich töteten. Er gilt als Nationalheld. Michail Glinka (1804–1857), russischer Komponist und Begründer der russischen Klassik, Verfasser der ersten russischen Nationaloper über Iwan Sussanin »Ein Leben für den Zaren« (1836).
[Menü]
Fedja Dawidowitsch
Fedja schlich sich lange an die Butterdose heran, passte schließlich den Moment ab, als seine Frau sich bückte, um sich einen Fußnagel zu schneiden, nahm blitzschnell, mit einer Bewegung, mit einem Finger die ganze Butter aus der Butterdose und schob sie sich in den Mund. Beim Schließen der Butterdose klapperte Fedja versehentlich mit dem Deckel. Seine Frau richtete sich sogleich auf, und als sie die leere Butterdose sah, zeigte sie mit der Schere darauf und sagte streng:
»In der Butterdose ist keine Butter. Wo ist sie?«
Fedja guckte erstaunt, reckte den Hals und warf einen Blick in die Butterdose.
»Die Butter, die ist in deinem Mund«, sagte seine Frau und zeigte mit der Schere auf Fedja.
Fedja schüttelte verneinend den Kopf.
»Aha«, sagte seine Frau. »Du sagst nichts und schüttelst den Kopf, weil du den Mund voll Butter hast.«
Fedja machte große Augen und fuchtelte mit den Händen, als ob er sagen wollte: »Was denkst du von mir, nicht doch, nichts dergleichen!« Aber seine Frau sagte:
»Du lügst. Mach den Mund auf.«
»Mmh«, sagte Fedja.
»Mach den Mund auf«, wiederholte seine Frau. Fedja spreizte die Finger und muhte etwas, als ob er sagen wollte: »Ach ja, fast hätte ich’s vergessen; bin gleich wieder da«, und stand auf, um aus dem Zimmer zu gehen. »Hiergeblieben«, schrie seine Frau.
Doch Fedja legte einen Schritt zu und verschwand durch die Tür. Seine Frau rannte ihm nach, aber bei der Tür blieb sie stehen, da sie nackt war und so nicht in den Flur gehen konnte, wo die anderen Bewohner der Kommunalka herumliefen. »Weg ist er«, sagte seine Frau und setzte sich aufs Sofa. »So ein Mistkerl!«
Fedja gelangte über den Flur bis zu einer Tür, an der einSchild hing: »Eintritt streng verboten«, öffnete diese Tür und trat ein.
Das Zimmer, in das Fedja eintrat, war schmal und lang und hatte ein mit Zeitungspapier zugeklebtes Fenster. Im Zimmer rechts an der Wand standen eine speckige, wackelige Couch und am Fenster ein Tisch, der aus einem Brett gezimmert war, das mit dem einen Ende auf dem Nachttisch und mit dem andern auf einer Stuhllehne lag. Links an der Wand hing ein Regal mit zwei Brettern, auf dem irgendein Krimskrams herumlag. Sonst gab es weiter nichts in dem Zimmer, abgesehen von einem auf der Couch liegenden Mann mit blaßgrünem Gesicht, der einen zerrissenen, langen braunen Gehrock und eine schwarze Nankinghose trug, aus der sauber gewaschene nackte Füße herausguckten. Der Mann schlief nicht und starrte den Hereingekommenen an.
Fedja verbeugte sich, machte einen Kratzfuß, klaubte sich mit einem Finger die Butter aus dem Mund und zeigte sie dem liegenden Mann.
»Anderthalb«, sagte der Bewohner des Zimmers, ohne seine Haltung zu verändern.
»Bisschen wenig«, sagte Fedja.
»Genug«, sagte der Bewohner des Zimmers.
»Na gut«, sagte Fedja, strich die Butter vom Finger und legte sie aufs Regal.
»Das Geld kommst du dir morgen früh abholen«, sagte der Bewohner des Zimmers.
»Oh nein, das können Sie nicht machen!«, schrie Fedja auf. »Ich brauch’s doch sofort. Es sind doch nur anderthalb Rubel …«
»Hau ab«, sagte der Bewohner des Zimmers trocken, und Fedja lief auf Zehenspitzen aus dem Zimmer, sachte die Tür hinter sich anlehnend.
10. Februar 1939
[Menü]
Anekdoten aus dem Leben Puschkins
1
Puschkin war Dichter und schrieb immerzu irgendwas. Einmal traf ihn Schukowski beim Schreiben an und rief laut aus: »Potz Blitz, ein richtiger Dichtiger!« Seitdem mochte Puschkin Schukowski sehr gern und nannte ihn freundschaftlich einfach Schuki.
2
Wie man weiß, wuchs Puschkin nie ein Bart. Puschkin quälte sich deswegen sehr und beneidete immer Sacharjin, dem im Gegenteil ein sehr anständiger Bart wuchs. »Dem wächst er und mir nicht«, sagte Puschkin oft, wobei er mit den Fingernägeln auf Sacharjin zeigte. Und immer hatte er recht.
3
Einmal machte Petruschewski seine Uhr kaputt und schickte nach Puschkin. Puschkin kam, untersuchte Petruschewskis Uhr und legte sie zurück auf den Stuhl. »Was sagst du
Weitere Kostenlose Bücher