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Trips & Träume

Trips & Träume

Titel: Trips & Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Fischer
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Dilettantismus und Naivität. Auch Floh de Cologne, Eulenspygel und Ihre Kinder mochte ich. Ihr Rock mit engagierten deutschen Texten ging unter die Haut. Auf meiner »Ganz okay«-Liste standen noch Nine Days Wonder und Gila. Im Beat-Club hatte ich den Jazzer Wolfgang Dauner mit seiner Band Et Cetera gesehen und für gut befunden. Selbst Volker Kriegels Spectrum -Platte gefiel mir.
    Der Bus spuckte uns einen Häuserblock entfernt von dem Ereignis aus. Eine dreißigminütige Fahrt durch graue Vorstadtstraßen, die in der abendlichen Sonne noch trister wirkten.
    Wir diskutierten, was wohl das beste Guru-Guru-Stück sei. Von ihrer ersten Scheibe mochte Mark »Stone In«, weil es nach Jimi Hendrix klang.
    Ich gab dem »LSD-Marsch« den Vorzug, einem zwölfminütigen Psychedelic-Rockstück, das dich auf Trip schicken konnte.
    In der Einfahrt zu einem dunklen Hinterhof brachten wir uns in Stimmung.
    »Alter, nur noch ein Zug«, bettelte Mark.
    »Vergiss es, da ist nichts mehr drin«, antwortete ich.
    »Dir ist klar, Satti, dass ich den totalen Flattermann hab, ich brauch unbedingt den vollen Törn.«
    Marks Finger der rechten Hand bildeten einen Kegel, in dessen Spitze der Joint steckte, mit der linken Pranke dichtete er alle Luftlöcher ab, dann setzte er den Mund an den Hohlraum zwischen Daumen und Zeigefinger und saugte mit aller Kraft.
    Schwarzer Afghane. Die Mörderdröhnung.
    Mein Kopf fühlte sich an wie auf Kissen gebettet, in den Kniekehlen hatten sich Ameisen eingenistet, das Blut in meinen Adern wurde dick und träge.
    Marks Augen hatten sich zu Schlitzen verengt.
    »Mann, Alter, bin ich stoned«, sagte er.
    *
    So viele Freaks auf einem Haufen hatte ich noch nie gesehen.
    Das Wilhelm-Leuschner-Haus, ein schmuckloser, dreistöckiger Kasten im Fünfziger-Jahre-Nachkriegsstil, gehörte der Gewerkschaft. Ein Typ mit DGB-Sticker am Revers und Brian-Jones-Frisur knöpfte am Eingang jedem von uns einen Fünfer ab. Stempel (eine Faust, die eine Rose hielt) auf die Hand, und drin waren wir. Für den Inhalt meiner Jutetasche, in der sich das Dope befand, interessierte sich niemand. Im Großen Saal, der dem langen Arm der Arbeiterbewegung tagsüber als Versammlungsraum diente, tummelten sich gut fünfhundert Langhaarige.
    Was für ein Anblick!
    In Grüppchen saßen sie auf dem Boden, einige hatten Batikdecken ausgebreitet. Wer keinen Platz zum Hinhocken gefunden hatte, drückte sich den Rücken an der Wand krumm. Auf der Längsseite zur Straße hin gab es eine Fensterfront. Sie bestand aus dickem, milchigem Glas und war geschlossen, was dazu führte, dass mir die stickige Luft den Schweiß aus den Poren trieb.
    Außerdem roch es nach süßem Gras. Halleluja!
    Der Grund für Marks Flattermann stand am Büchertisch und schlürfte mit einem Strohhalm eine Cola. Karen war nicht allein. Neben ihr strich Andi seinen Schnurrbart glatt und redete hemmungslos auf sie ein. Bei jedem zweiten Satz klemmte er sich die fettigen Haare hinters Ohr.
    Ich konnte den Typen nicht ausstehen und fragte mich erneut, was Karen an ihm fand. Es hieß, Andi besitze einen Steinway, einen gebrauchten zwar, aber immerhin eines der besten Klaviere, die es für Geld zu kaufen gab. Auf dem spielte er Jazz, erzählte man sich. Er war der Einzige, von dem ich wusste, dass er sich in Harmonielehre auskannte. Noten lesen konnte er natürlich auch. Außerdem hatte er immer die aktuellsten Platten.
    Seine Belesenheit und Eloquenz kotzten mich an. Zu jedem und allem wusste er stets etwas Superschlaues zu sagen. Für mich war er einfach nur ein intellektueller Angeber.
    John Coltrane, der Saxophonist, und Theodor W. Adorno, der Philosoph, hatten es ihm besonders angetan. Obwohl die gar nicht zusammenpassten. Adorno hatte Jazz gehasst.
    »Dieser Blödmann ist auch hier«, grummelte Mark.
    »Du bist bloß eifersüchtig«, entgegnete ich. »Lass uns mal hallo sagen.«
    Karen winkte, sie hatte uns bereits entdeckt. »Hey, Mark, hey, Satti, ich bin vielleicht aufgeregt. Das wird ein tolles Konzert«, sagte sie und lachte. Karen hatte ein besonderes Lachen, leicht und zwitschernd. Man hörte es überall heraus.
    Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste mich links und rechts auf die Wange. Sie sah umwerfend aus in den selbstgeschneiderten kirschroten Satinhosen mit dem weiten Schlag und der Bluse mit dem Paisley-Muster. Um den Hals hingen ihr drei riesige Perlenketten. Natürlich waren die nicht echt, aber an Karen sahen sie klasse aus. Um die Hüfte hatte sie

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