Trips & Träume
entwickelt, der glaubt, alles zu wissen.
Mani Neumeier, der Schlagzeuger von Guru Guru, hatte mit der Schweizer Pianistin Irène Schweizer vor einigen Jahren frei improvisierte Musik gespielt. Das war Schnee von gestern und mir längst bekannt.
Karen schien die schlechten Schwingungen zu spüren. Sie war nicht nur ein attraktives, sondern dazu noch ein ungemein einfühlsames und harmoniesüchtiges Mädchen.
»Mark, was machen denn deine eigenen Ambitionen als Schlagzeuger?«, fragte sie. Dass Mark davon träumte, Trommler zu werden, hatte ich ihr vor nicht allzu langer Zeit erzählt.
»Weißt du«, begann Mark, »ich ... ich hab zwar kein eigenes Drumset, noch nicht, aber ich übe jeden Tag.«
Pause, Luftholen.
»Ich übe auf Bongos.«
Auf Bongos!«, fuhr ihm Andi über den Mund. »Da lernst du nie was. Nicht das, was du als Schlagzeuger brauchst. Ohne eigenes Set kannst du es vergessen.« Karen blickte Andi vorwurfsvoll an. »Du benimmst dich unmöglich.«
Andi provozierte weiter. »Wenn du wirklich spielen kannst, Mark, dann zeig doch mal, was du draufhast. Oder bluffst du nur?«
»Wie du meinst«, sagte Mark, drehte sich um und marschierte los.
Ich blickte ihm nach, bis er von der Menge verschluckt wurde.
»Leute, entschuldigt mich, ich habe was zu erledigen«, sagte ich.
»Hey, Satti, Miles Davis, der Jazz-Trompeter, hat mal gesagt: Ich bin nicht, was ich tue, ich tue, was ich bin. Darüber solltest du mal nachdenken«, rief Andi. Aber ich ließ die beiden einfach stehen.
*
Ich stieg über ein in heftiges Petting verkeiltes Pärchen hinweg. Sie sah aus wie ein Prachtweib aus einem Robert-Crumb-Comic. Er, geil wie Fritz the Cat, hatte seine Schlabberzunge tief im Ohr der Lady. Seine Patschepfötchen rubbelten irgendwo in den unteren Regionen des Mädchens. Sie konnte das Gleichgewicht nicht halten und sank langsam nach hinten weg, mit geschlossenen Augen gab sie sich dem Rausch der Gefühle hin.
Von diesem Anblick irritiert, stolperte ich über ihre im indischen Mehndi-Stil bemalten Hände. Als ich aufschaute, tauchte ein dürrer Kerl auf. Er hatte einen langen, zerzausten Bart wie Moondog, der blinde New Yorker Straßenmusiker, der ziemlich abgedrehte Musik komponierte. Ich hatte mal was über diesen amerikanischen Outlaw gelesen, der kostümiert wie ein Wikinger über den Times Square lief. Dieser Moondog hier vollführte tanzend eine Art Beschwörungsritus. Mit den Händen malte er imaginäre Bilder in die Luft.
Eine ausgewachsene Kifferparanoia kam über mich. Mein Freund, der schwarze Afghane, verwandelte Moondog von einer Sekunde auf die andere in ein zehnarmiges Monster. Er sah auf einmal schrecklich ausgemergelt aus, die langen Haare baumelten ihm in dünnen fettigen Strähnen ins Gesicht, aus dem mich seine glühenden Augen wie rote Blitze ansprangen. Er kam immer näher. Wild klopfte mir das Herz in der Brust. Moondog würde über mich herfallen, mich mit einem Fluch belegen oder Vampirzähne in meinen Hals rammen – irgendetwas in dieser Art.
Jemand packte meine Schultern und zog mich weg.
»Ganz ruhig, Alter, sonst kommst du noch auf Horror.«
Die Stimme kam mir bekannt vor. Klar, vor mir stand Skip. Gleich darauf traten Paul und Gero in mein Blickfeld. Die Unzertrennlichen. Das Trio infernal. Die Kerle kamen nie allein, immer nur im Dreierpack.
Paul spielte ein bisschen Gitarre, Skip versuchte sich am Bass. Sie trafen sich bei Gero; in der guten Stube seiner Eltern stand eine Orgel, auf der er Sachen von Ekseption nachklimperte. Skip und Paul stöpselten ihre Instrumente in die Braun-Stereoanlage und brachten die Boxen fast zum Durchglühen. Die drei improvisierten ungeniert drauflos. Als Eins-a-Anfänger, die sie waren, kam nur Mist dabei heraus.
Vielleicht fehle ihnen nur jemand, der ihnen sagte, wo es langgeht. So eine Art musikalischer Direktor, einer, der sie richtig rannehme, war Marks Kommentar, als ich ihm davon berichtete.
Paul fuchtelte mit den Händen vor meinen Augen. »Komm wieder zu dir, Schweinepriester, du bist in Sicherheit.« Er liebte Kraftausdrücke.
»Ja, ja, ihr habt mich gerettet. Toll, prima«, sagte ich.
»Ein bisschen mehr Dankbarkeit hätte ich schon erwartet«, murrte Skip und kratzte sich den Fusselbart.
»Sorry, Leute, aber der Shit ist alle«, sagte ich und griff nach der Jutetasche.
»Lass gut sein, Mann, mein letztes Törn-Piece würde ich auch nicht rausrücken, verdammt nochmal«, maulte Paul.
»Wen oder was suchst du eigentlich?«, fragte
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