Trips & Träume
es allerdings schwer, Geld im Musikgeschäft zu verdienen. Ich habe auch Theatermusiken geschrieben. Nichts Großes bislang, aber es macht sehr viel Spaß. Am liebsten würde ich nur das machen, komponieren.«
Darauf war ich nicht vorbereitet. Bilder, die in den Tiefen meines Unterbewusstseins lange verborgen schienen, zuckten jetzt wie Blitzlichter vor meinem inneren Auge auf. Erst einzelne Fetzen, dann überfluteten ganze Sequenzen meine lückenhafte Erinnerung.
Plötzlich sah ich deutlich Andi vor mir, wie er in seiner Einzimmerwohnung über dem Hot Rats am Piano sitzt und diesen Song spielt. Jenes Lied, das Mark in der Kapelle anstimmte. Und nun ein Hit ist.
In meinem Kopf begann es zu hämmern, ich fasste mir an die Schläfe.
»Was ist los? Du bist auf einmal kreidebleich!«
»Schon gut, es geht gleich wieder.«
Es entstand eine Pause.
Ich fasste mir ein Herz. »Der Song da drinnen, der, den Mark spielte. Das Stück, das überall im Radio läuft und weit oben in der Hitparade steht. Es ist Ton für Ton ...?«
»... exakt das Lied, dessen Noten ich aus dem Nachlass von Karen erhalten habe. Ja, so ist es«, antwortete er.
Das Musikfieber, das Festival und jener schicksalhafte Segeltörn rauschten an mir vorbei wie ein Film im Schnelldurchlauf.
»Dann weißt du auch, wer das Lied in Wirklichkeit komponiert hat?«
»Andi, mein leiblicher Vater.«
Er sagte es, als sei es das Normalste der Welt. Mich traf es wie ein Blitz.
»Dann ...« Weiter kam ich nicht.
»Karen und Daniel haben es mir gesagt, da war ich fünfzehn oder sechzehn Jahre alt«, sagte William.
»Das war vernünftig«, antwortete ich.
»Daniel wird für mich immer mein Vater bleiben. Von Andi weiß ich so gut wie überhaupt nichts. Wir haben noch nicht mal ein Foto von ihm.«
»Ich auch nicht. Aber sein Gesicht habe ich nicht vergessen. Wenn ich dich anschaue ... Du hast einiges von ihm«, sagte ich.
»Wie war er?«
»Hat Karen dir nichts von ihm erzählt?«
»Sie hat Tagebuch geführt«, antwortete er, »aber nur in Christiania. Darin steht, dass Andi den Song für sie komponierte und ihr die Noten schenkte. Um ein Tonband ging es auch.«
»Ja, das Tonband. Ich habe damals schon vermutet, dass Mark es an sich genommen hat. Aber ich konnte es nicht beweisen.«
»Dieser Typ scheint die Leute nur zu benutzen«, sagte William, »er stiehlt das geistige Eigentum eines anderen und gibt es als das seine aus. Früher Freak und heute ehrenwertes Mitglied der Gesellschaft.«
»Er war nicht immer so«, sagte ich.
»Dann erzähl mir mehr über ihn und eure Freundschaft. Wie war das in euren ach so tollen Zeiten von Krautrock und Kiff? Damit ich verstehe, was das, was damals passiert ist, mit dem Durcheinander von heute zu tun hat.«
Ja, wie war das damals?
Das Pochen in meiner Schläfe nahm an Intensität zu.
»An das meiste kann ich mich gar nicht mehr erinnern«, wehrte ich ab. Ich hatte Angst vor dem, was die alten Geschichten bei mir auslösen würden.
William schaute mich an. Er wartete, schien es ernst zu meinen.
»Ich will auch alles über Andi erfahren«, sagte er schließlich.
Womit beginnen? Wann und wie hatte alles angefangen?
Während ich noch überlegte, begann ich auch schon zu erzählen. Wie tonnenschweres Gestein löste sich der Druck, der allzu lange auf meinem Herzen gelastet hatte.
Selbst Mila wusste kaum etwas davon. Und während ich zu erzählen begann, fühlte ich mich mehr und mehr erleichtert. Mir wurde bewusst, dass ich froh war, diese Last endlich loszuwerden. Das alles zu verdrängen hatte ich lange Zeit allzu gut beherrscht und geradezu perfektioniert.
Ja, wie hatte alles angefangen? Dieser Irrsinn, der bis heute nachwirkt?
zwei Sweet Smoke
Es war heiß und trocken an jenem Samstag im Juni 1971. Die Sonne brannte erbarmungslos. Das Kaff lag wie ausgestorben da.
Die Geschäfte in der einzigen Einkaufsstraße hatten bereits geschlossen, die Bürgersteige waren gekehrt und hochgeklappt.
Mark und ich standen vor dem Eckfritz, der schlimmsten Spießerkneipe der Stadt. »Ich will das Spiel sehen«, sagte Mark.
Ich schaute ihn zweifelnd an. »Da drin?«
Er ließ nicht locker. »Es ist der einzige Laden, der eine Glotze hat. Jetzt sogar in Farbe.«
Fußball war nicht unbedingt eine Herzensangelegenheit von mir. Aber ein Pokalfinale war etwas Besonderes, da stimmte ich Mark insgeheim zu. Bayern München gegen den 1. FC Köln. Live aus dem Neckarstadion in Stuttgart.
In meinem Dachzimmer abhängen, ein
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