Trips & Träume
aber vielleicht hält er meine Konzentration aufrecht, die ich noch benötigen werde, dachte ich.
Don kippte den Ramazzotti hinunter, schlürfte die Sahne vom Cappuccino. Mark lehnte sich in den Stuhl, er wirkte nun entspannter.
»Es war aber nicht Karen, die den Gang runterkam«, sagte er. »Es ging alles so schnell, in der Hektik schaffte ich es gerade noch, den Umschlag zurück in den Rucksack zu stecken. Ich zog den Bauch ein, stopfte das Band in die Jeans. In diesem Moment stand Andi in der Tür.«
Ich war noch nicht zufrieden. »Du hättest es heimlich wieder zurücklegen können.«
»Wie denn? Plötzlich hieß es alle an Deck, Halse machen. Und ich stand mit Andi im Netz, um das Klüversegel einzuholen«, antwortete Mark mürrisch.
»Und dann? Hast du ihn vielleicht ins Meer gestoßen? Mit einem Mal wärst du all deine Sorgen losgewesen!«
Mark donnerte das Feuerzeug, mit dem er zwischen den Fingern spielte, auf den Tisch. Das Ding landete auf meiner Aktentasche, die noch immer auf meinen Schoß lag.
»Habe ich es dir nicht gesagt, Don? Er wird alles verdrehen, es sich so zurechtlegen, wie es ihm gerade passt. Mir reicht es, ich gehe!«, rief er aufgebracht.
Ruckartig stand er auf, der Stuhl rutschte zur Seite.
Don rückte den Stuhl zurecht. »Du bleibst. Wir ziehen das jetzt durch.«
Mark verdrehte die Augen und nahm wieder Platz.
»Hör auf mit diesen unhaltbaren Anschuldigungen. Andis Tod war ein Unfall. Er konnte nicht schwimmen und hatte keine Weste an«, sagte Don.
Mark hatte plötzlich Tränen in den rotunterlaufenen Augen. »Es war ganz schön wackelig in dem Netz. Ich hielt mich mit einer Hand am Klüverbaum fest. Als ich mich umdrehte, war er nicht mehr da.«
Wenn das jetzt gespielt war, musste er ein verdammt guter Schauspieler sein. Wie Robert De Niro, der mit durchdringendem Blick von der Wand starrte. War Mark so abgebrüht? Damals hatte ich ihn nicht trauern sehen. Ich schob den Gedanken weg, weit weg. Ja, es war ein Unfall.
Ich tippte auf die Aktentasche. »Karens Tagebuch. Wir können ja nachschauen, was sie geschrieben hat.«
»Du hast es nicht gelesen, richtig?«, fragte Don.
Ich spürte eine unangenehme Hitze aufkommen. »Du etwa?«
»Natürlich nicht.«
»Also?«
»Wahrscheinlich steht Folgendes darin: Dass Mark ihr das Band zurückgegeben hat.«
»Nein!«
Don zeigte mit dem Finger auf mich. »Er hat das gemacht, was du all die Jahre nicht fertiggebracht hast. Er hat sie in Christiania besucht.«
Ich schaute zu Mark. »Aber das Band liegt doch da?«
»Wir hatten all die Jahre über Kontakt. Als sie in Hamburg ihr erstes Modestudio eröffnete, habe ich ihr sogar Geld geliehen. Fünftausend Mark, die ihr für die Finanzierung noch fehlten« sagte Mark.
Ich konnte nur staunen. »Erzähl weiter!«
»Ein Dreivierteljahr vor ihrem Tod rief sie mich an. Da hatte sie gerade ihre Diagnose erhalten. Sie fragte, ob ich ihr einen Gefallen tun könnte.«
Mark stemmte eine Hand an den Tisch. Die andere hing auf der Lehne. Er schaute mich an. »Sie sagte, ich solle etwas aus dem Band machen. Den Song veröffentlichen. Ich könne den Titel auf meinen Namen bei der Gema anmelden. Unter einer Bedingung – der Großteil der Einnahmen solle William zugutekommen.«
Don hatte recht. Ich war ein Arschloch.
Mark holte Luft. »Zwei Wochen nach Veröffentlichung stieg das Lied in die Charts ein. Ich rief bei ihr an. Daniel war dran und sagte mir, dass sie in der Nacht verstorben sei. Dann machten wir aus, dass ich derjenige sein sollte, der William von der Veröffentlichung des Songs und der Einrichtung des Tantiemenkontos erzählt. Leider habe ich ihn nicht erreicht. Sein Handy war abgeschaltet. Darum wollte ich das bei der Beerdigung nachholen. Dazu kam es aber nicht. Mittlerweile wird Daniel es ihm wohl selbst berichtet haben.«
Diese Geschichte konnte nicht erfunden sein. Ich hatte die ganze Zeit falschgelegen. Fürchterlich falsch.
Ich hatte geglaubt, alles richtig zu machen, war mir so sicher gewesen, dass Mark all das verraten habe, wofür unsere gemeinsamen Ideale und unsere Freundschaft einmal gestanden hatten.
Nicht er, nein, ich hatte alles verraten.
»Dein Artikel war völlig unnötig. Damit hast du dich komplett reingeritten«, sagte Don.
Mark beugte sich über mich und gab mir den Rest.
»Mit dir bin ich fertig. Ich werde dich verklagen. Auf Schadensersatz. Du hast William um seine Tantiemen gebracht. Von meinem Ausfall an Kosten ganz zu schweigen. Du ruinierst mich
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