Trips & Träume
Überall hingen Plakate und Szenenfotos. Humphrey Bogart und Lauren Bacall lächelten mich an.
Alle Tische waren besetzt. Ein enormer Geräuschpegel.
»Es ist nichts frei«, sagte ich. Don ignorierte mich und ging zielstrebig auf eine Nische zu, die mit einer spanischen Wand vom Rest des Ladens abgetrennt war, eine Art Séparée.
»Setz dich«, befahl Don.
Erschrocken fuhr ich zusammen, ein kurzer Schwindel überkam mich. Mit allem hätte ich gerechnet, nur nicht mit ihm.
Er sah schlecht aus. Unausgeschlafen und mit dicken Tränensäcken. Das, was weiß in seinen Augen hätte sein sollen, war dunkelrot. Er rieb sich über ein Lid. Dann schlürfte er an einem Kaffee und stellte das Getränk ab.
Mark trug ein einfaches Hemd und Jeans, das Jackett hing über dem Stuhl, auf dem er saß. Er blies Rauch in die Luft, hustete und drückte hektisch die Kippe aus, als er mich erkannte. Ich wusste gar nicht, dass er rauchte.
Mich zu sehen bedeutete auch für ihn einen Schock. Er richtete sich kerzengerade auf. Sein Gesicht wirkte versteinert.
Umdrehen und verschwinden. Doch wie von einer unsichtbaren Hand geführt, setzte ich mich an den Tisch und legte die Aktentasche auf den Schoß. Mein Puls blieb ruhig, aber meine Nerven waren gespannt wie eine Gitarrensaite kurz vor dem Reißen.
Don entledigte sich des Parkas und kam zur Sache. »Das Gespräch hier war meine Idee. Aber ich will verhindern, dass ihr euch an die Gurgel geht. Darum werde ich den Moderator spielen. Mark fängt an. Und du, Satti, hörst zu und hältst die Klappe.«
Mich erfasste eine kaum zu kontrollierende Unruhe. Du musst dich mit irgendetwas beschäftigen, um das in den Griff zu kriegen, sagte ich mir. Ich schälte mich aus den Ärmeln des Mantels, ließ ihn über die Stuhllehne fallen und nahm eine Zigarette aus der Packung, die auf dem Tisch lag.
Aus den Augenwinkeln nahm ich die Bedienung wahr und winkte der jungen Frau zu. Ich bestellte einen Espresso und Mineralwasser. Don verlangte Ramazzotti und Cappuccino. Dann nickte er aufmunternd in Marks Richtung, der sich eine neue Kippe angezündet hatte.
Mark griff in die Tasche seines Jacketts und legte eine Pappschachtel auf den Tisch, etwas größer als eine CD.
Ich offnete den Karton und hielt das Tonband in der Hand. Jenes Band, das Billy in sein Uher Report eingelegt hatte, vor mehr als dreißig Jahren auf Andis Bude über dem Hot Rats, als er die Aufnahmen mit dem Kunstkopf machte.
Andis Lied. »Karen’s Song«.
Mark räusperte sich. »Du kannst es behalten.«
Ich wollte etwas sagen.
Don machte eine unmissverständliche Geste. »Lass ihn reden.«
»Ich war jung, ich war dumm, ich war neidisch«, sagte Mark, »und ich war ehrgeizig. Doch, was ich am meisten hatte, war diese Stinkwut auf ihn. Er hatte nicht nur das hübschste Mädchen, er hatte auch einen Song, der die Eintrittskarte ins Business sein konnte. Er hatte alles, was ich auch haben wollte, aber nicht besaß.«
»Ach, Mark«, zischte ich.
Don legte die Finger auf die Lippen.
Mark sprach weiter. »Weißt du noch, damals vor dem Rats? Du hast mich erst darauf gebracht. Ein Lied für Karen? Und es ihr schenken? Ungewöhnlich, dachte ich. Ich war neugierig geworden.«
Und ob ich das noch wusste. Ich bin ein Idiot, dachte ich.
Mark zog an der Zigarette. »Ja, ich habe in ihren Sachen herumgeschnüffelt. Aber ich hatte gar nicht vor, es an mich zu nehmen. Ich wollte nur alles mit eigenen Augen sehen, dieses Band und die Noten.«
Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. »Du hättest sie doch fragen können, sie hätte dir alles gezeigt.«
»Auf der Mother Universe habe ich sie angesprochen. Sie sagte, es sei alles in ihrem Rucksack, sie würde es mir gern zeigen, später, wenn wir auf Vlieland wären. Ob ich so lange warten könne.«
»Konntest du aber nicht«, stellte ich fest.
»Ich musste pinkeln und ging hinunter. Das Klo war direkt gegenüber ihrer Kajüte. Die Tür stand offen, der Rucksack lag auf dem Bett. Meine Neugierde war einfach zu groß. Ich stand vor ihrem Bett mit den Noten und dem Band in der Hand, als ich Schritte hörte. Ich dachte, es sei Karen, und das würde mit Sicherheit Ärger geben.«
Ich schüttelte den Kopf. »Was ist das? Eine neuerliche Lügengeschichte, getarnt als Geständnis?«
»Jetzt lass ihn einfach mal ausreden«, fauchte Don.
In diesem Moment tauchte die Bedienung mit den Getränken auf. Ich drückte die Zigarette aus, nippte am Espresso. Der wird zwar meinen Puls nicht beruhigen,
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