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Trips & Träume

Trips & Träume

Titel: Trips & Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Fischer
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sechzig Personen anwesend waren.
    Alle Aufmerksamkeit war auf das Podium gerichtet, das vor der Fensterfront auf einem kleinen Bühnenpodest errichtet worden war. Mehrere Kamerateams hatten sich rechts davon positioniert. Auf der anderen Seite knieten zehn oder mehr Fotografen, die gelangweilt auf ein druckreifes Motiv warteten. Auf dem Podium selbst saßen sechs Männer in Businessanzügen. Einer von ihnen stach hervor. Er trug eine rote Krawatte und hatte das Jackett abgelegt. Es war Professor Strenger, der das Gutachten für mich verfasst hatte. Hinter dem Podium prangte das Logo der Plattenfirma. Auf der Höhe der Tür, die ich leise hinter mir schloss, entdeckte ich zwei freie Plätze. Ich nickte dem Jackett zu. Wir setzten uns.
    Die Farce nahm ihren Lauf.
    *
    »Wir werden den Titel vom Markt nehmen. Außerdem behalten wir uns vor, juristische Schritte sowohl gegen die Interpretin als auch den Produzenten einzuleiten«, sagte der Plattenboss und schaute verkniffen in den Saal hinein. Meine Gedanken schweiften ab, nur ein paar Fetzen wie »Wir haben nichts davon gewusst«, »arglistige Täuschung« und »finanzielle Auswirkungen« erreichten mich noch.
    Mein Blick heftete sich an die Erscheinung des Redners. Das Mikrophon, das er in der Hand hielt, verwandelte sich in einen riesigen Joint, und ich sah in ihm mit einem Mal den typischen Freak mit langen blonden Haaren, der sich auf der Matratze im Gemeinschaftsraum in den siebten Kiffer-Himmel törnte.
    In einem Antiquariat hatte ich vor Wochen eine Ausgabe des Spiegel vom August 1971 entdeckt. In der Titelgeschichte »Deutsche Jugendbewegung 71 – Flucht aus der Gesellschaft« wurde sie als »apolitische Ohne-mich-Bewegung« bezeichnet. Was war daraus geworden?
    Manche hatten das Glück in makrobiotischer Ernährung gesucht, manche landeten bei Bhagwan. Einige wenige hatten es bis in die Politik geschafft, waren bei den Grünen oder in der SPD, wenn auch selten Positionen wie die Achtundsechziger. Andere hatten es als Aktivisten bei Greenpeace oder Amnesty International versucht. Nicht wenige waren auf den Trip gegangen und nicht wieder zurückgekehrt. Turn on, tune in, drop out.
    Meine Generation war erst in den achtziger Jahren so richtig eingestiegen. Wir wurden Sozialarbeiter und Lehrer, Ärzte, Rechtsanwälte und Architekten oder trieben uns in den Medien rum. An die Stelle von Idealismus und Weltverbesserung waren Jahresabschlüsse und Gewinnmaximierung getreten. Sartre und Adorno verstaubten im Regal, Macht, Geld und Sex waren auch zu unseren Götzen geworden.
    »Die Pressekonferenz scheint Sie nicht wirklich zu interessieren.«
    Das Jackett riss mich aus meinen Gedanken.
    »Ich war nicht ganz bei der Sache. Entschuldigung«, antwortete ich.
    »Mir geht es genauso. Ich frage mich, warum ich überhaupt hier bin.«
    »Ich bin erleichtert, dass ich nicht der Einzige bin, der das so sieht«, sagte ich.
    »Entschuldigen Sie, dass ich mich noch nicht vorgesellt habe.« Kurze Pause. »Michael Bauer, Powerpress«, sagte er und lächelte mich freundlich an. Powerpress war kürzlich von einem amerikanischen Medienkonzern aufgekauft worden. Sie brachten Teeniemagazine heraus, unterhielten aber auch einige TV-Produktionsfirmen, die neue Jugendformate für Musiksender entwickelten.
    Ich gab ihm die Hand und nannte meinen Namen.
    Bauer schaute mich genauer an. »Dann sind Sie es also doch?«
    Ich antwortete nicht.
    »Sie sind doch der, der den Artikel in der Musikszene geschrieben hat?«
    »Ich bitte Sie, das nicht herumzuposaunen.«
    »Machen Sie sich da mal keine Sorgen. Aber sollten Sie nicht mit auf dem Podium sitzen?«
    In der Reihe vor uns drehten sich mehrere Köpfe in unsere Richtung. »Kommen Sie, wir unterhalten uns draußen weiter«, sagte Bauer.
    *
    Im Flur war ein Buffet aufgebaut. Ich nahm mir eine Tasse Kaffee, legte ein paar Häppchen mit Käse, Lachs und Salami auf einen Teller und stellte mich an einen der vielen Stehtische, die dort standen. Bauer schenkte erst mir, dann sich selbst ein Mineralwasser ein.
    Er nippte am Wasser. »Sie haben mir eine Frage noch nicht beantwortet. Warum sitzen Sie nicht mit auf dem Podium?«
    »Ich bin Journalist. Mein Part war mit Erscheinen des Artikels erledigt. Ich habe alle Interviewanfragen abgelehnt«, antwortete ich.
    »Ihre Aktie ist in der Branche enorm gestiegen. Sie sind heiß begehrt, wissen Sie das? Ich habe einige Leute Ihren Namen flüstern hören«, sagte Bauer und stellte das Glas ab.
    »Wovon reden

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