Trips & Träume
auf Recherche?«
»Ich soll fürs Lokalblatt was übers Musikfieber schreiben«, antwortete ich.
»Also dann, für deinen Artikel, ich habe einen Bassisten und einen Schlagzeuger gefunden. Die kennst du nicht, sind nicht von hier. Wir proben bei Isberg, der wohnt in einem kleinen Dorf im Westerwald. Er hat sich im Keller ein kleines Studio eingerichtet.« In Andis Stimme klang Stolz mit.
»Und in welche Richtung geht euer Sound?«
»Ich verrate nur so viel, nichts wird nachgespielt, alles eigene Stücke, ich komponiere Tag und Nacht. Aber das meiste entsteht aus der Improvisation heraus. Aber wenn du unbedingt eine Schublade brauchst – es klingt wie die Musik von John McLaughlin.« Andis Stolz reichte nun bis zum Mond und zurück.
John McLaughlin war das neueste Ding. Der englische Gitarrist hatte in der Tony Williams Lifetime und bei Miles Davis gespielt und mit Devotion ein Album aufgenommen, das die Grenzen von Jazz und Rock aufhob. Es hieß, McLaughlin sei die Gitarrensensation, und seine neue Band Mahavishnu Orchestra, deren erste Platte mit Spannung erwartet wurde, mache eine Musik, die den Geist von Coltrane atme.
Ich war beeindruckt, ließ mir jedoch nichts anmerken. Andi fuhr Kaliber auf, da konnte einem anders werden. Fra Mauro schienen gut aufgestellt zu sein. Da müssen Dreamlight wirklich noch sehr, sehr viel üben, dachte ich.
In diesem Moment ging die Wohnungstür auf, und Moses begrüßte mit lautem Hallo vier Mädels. Ich erkannte Miti und Rike sofort, Karen hatte mir mal ein Foto von ihnen gezeigt. Das also waren ihre Christiania-Freundinnen. Die beiden anderen Frauen waren mir gänzlich unbekannt, ich schnappte aber ihre Namen auf: Elli und Moni.
»Wir suchen Karen, die soll hier sein«, sagte Miti und lächelte.
»Ich zeig euch, wo sie ist«, antwortete Moses, und ehe ich mich versah, führte er die vier ins Matratzenzimmer.
Ich grinste müde und sagte: »Dann besteht ja doch noch die Aussicht, dass es keine ausschließlich von Männern dominierte Langweilerparty wird.«
»Was soll das denn heißen?«, fragte Andi.
»Was denkst du, wozu die Bude hier dient? Orgien feiern wie bei den Römern, freie Liebe und Bewusstseinserweiterung«, antwortete ich.
Andi blickte mich an, als hätte ich die Krätze. »Bewusstseinserweiterung?«
»Genau, du sagst es.« Die Stimme aus dem Hintergrund gehörte Billy.
Schwarze Haare bis auf die Schultern, Mittelscheitel, Hakennase. Er galt als technisches Genie, reparierte den ganzen Tag irgendwelches elektronisches Gerät und kannte sich mit Schaltplänen aus. Außerdem hatte er einen Bausatz für einen Moog-Synthesizer. Das wusste ich von Don. Der Impresario entwickelte sich zu meinem besten Informanten. Wo war der eigentlich abgeblieben, er musste doch auch hier irgendwo sein?
»Auf die Reise gehen, sich selbst erkennen, das Bewusstsein auf eine andere Ebene heben, das hat schon Timothy Leary, der kalifornische Drogenprofessor, gesagt«, setzte Billy seine Rede fort. Er schien eine frühe Form von Esoterik verinnerlicht zu haben, eine von der Sorte, wie sie erst viel später als New Age in Mode kommen sollte. Ohne Timothy Leary.
Andi schien in Stimmung für ein intellektuelles Duell. »Das ist doch alles leeres Hippie-Geschwätz. Drogen machen dir nur die Birne weich.«
Billy schaute verdutzt. »Wie bist du denn drauf?«
»Schau dir nur mal Jim Morrison an«, antwortete Andi. »Er war der letzte Held der Hippies. Zum Schluss hing er in Paris ab und soff nur noch. Warum? Weil er es nicht mehr ertragen hat. Ich kann nur hoffen, dass mit seinem Tod die Hippies endgültig ausgedient haben. Hippie, das ist doch nur ein anderes Wort für Kapitalismus. Sieh dir die Sache mit Woodstock an. Das war der totale Ausverkauf: Festival, Platte, Film. Hippies wissen, wie man Kohle macht. Was soll das für eine Lebensform sein? Love, Peace and Happiness, dass ich nicht lache. Wer hat Sharon Tate, die Frau von Roman Polanski, umgebracht? Das waren Hippies.«
»Meines Wissens war das so ein Durchgeknallter«, entgegnete Billy entrüstet. Er schaute zu mir rüber. Alter, lass mich aus dem Spiel, dachte ich. Ich war gespannt, wie Andi weitermachen würde.
Und Andi legte nun erst richtig los. Er wurde mir immer sympathischer.
»Charles Manson war der Anführer einer Hippie-Kommune, die er wie ein Diktator beherrschte. Das kommt dabei heraus bei all dem LSD. Dieses ganze Auf-den-Trip-gehen-Ding ist nichts anderes als komplette Realitätsflucht. Hippies sind
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