Trips & Träume
Weicheier, die Angst vor dem Leben haben. Erst wird sich zugedröhnt, dann muss das Establishment herhalten, das System ist an allem schuld. Pah, die wollen nur keine Verantwortung übernehmen. Hippies machen sich nicht die Hände schmutzig, mit den Arbeitern haben die nichts gemein, Hippies halten sich für was Besseres. Ich hoffe, dass sie aussterben wie die Dinosaurier. Und zwar schnell.«
»Jetzt mal ehrlich, wenn das Karen hört, wird sie dir die Augen auskratzen«, stichelte ich.
»Karen hat mehr auf dem Kasten und mehr Mumm in den Knochen als du und Mark und ich zusammen«, zischte Andi in meine Richtung.
»Is ja gut. Ich weiß selbst, dass Karen eine tolle Frau ist. Aber was ist falsch daran, ein bisschen auszuflippen?«, fragte ich nun wirklich empört.
»Die Welt der Hippies ist eine Lüge. Es gibt kein richtiges Leben im falschen, das hat Adorno schon gesagt. Der Sommer der Liebe ist vorbei. Diese Lektion müssten alle Brüder und Schwestern längst begriffen haben. Man kann nicht so weitermachen.«
»Hey, selbst die von der Studentenrevolte haben das begriffen. Die sind jetzt auf dem Marsch durch die Institutionen. Das haben die Hippies auch immer gesagt«, konterte Billy.
»Liest du keine Zeitungen? Die Studenten gehen in den Untergrund. So wie dieser Baader. Der steckt ein Kaufhaus in Brand und ist nun auf der Flucht. Erst kommt Gewalt gegen Sachen, dann gegen Menschen. Das ist doch alles Scheiße«, sagte Andi.
Billy schnappte nach Luft. »Mal langsam, Alter, die Hippies sind doch gegen Gewalt.«
»Aber wie soll das gehen, die Gesellschaft von innen verändern? Indem du das ganze Land erst zum Psychotherapeuten schickst und anschließend zum Meskalinkaktus-Wettessen in die mexikanische Wüste? Als erster Preis winkt ein Besuch beim Mysterienmeister Carlos Castaneda persönlich?« Andi spreizte lachend Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand zum Peace-Zeichen.
Billy gab nicht auf. »Du bist viel zu kopfgesteuert, mach dich mal locker, jeder muss für sich selbst herausfinden, was richtig ist. Erkenne dich selbst, dann erkennst du die anderen.«
Das Gerede über Hippies und Weltverändern hatte mich auf einen anderen Gedanken gebracht.
Ich hatte noch nie LSD ausprobiert. Sollte ich nicht mal selbst herausfinden, wie das ist, auf den Trip zu gehen? Sich locker machen, keine schlechte Idee. Das philosophische Hirnschwitzen törnte mich nicht mehr an. Der Hammerkick. Den brauchte ich jetzt.
Ich ließ die beiden stehen. Aber wenn Billy sich wirklich so gut mit Elektronik wie mit Hippie-Philosophie auskennt, dachte ich noch, dann könnte er beim Festival doch den technischen Leiter machen.
Das sollte ich Don mal vorschlagen.
*
Die Küche war Sonny und Moses nicht so gut gelungen.
Ein langer Tisch und ein Kühlschrank waren die einzigen Möbel, die der Raum vorzuweisen hatte. Das Blau an den Wänden endete im Nirgendwo und ging in den grauen Verputz über. Neben dem Kühlschrank ragte ein altes Waschbecken aus der Wand, in das Fetzer gerade grinsend sein Geschäft verrichtete. Er drehte den Wasserhahn bis zum Anschlag auf. Immerhin spülte er nach. Fetzer ging zurück an den Tisch.
An dem saßen außerdem noch Toni und Erwin und Hördi. Eingekeilt zwischen ihnen, nahm Don einen Schluck aus einer Flasche Bier.
Toni und Erwin waren echte Flippfreaks.
Toni hatte Augen so groß wie Tennisbälle. Wenn er stoned war, musste man befürchten, dass sie ihm jeden Moment aus den Höhlen sprangen. Erwin war immer verschwitzt. Die langen blonden Haare klebten ihm im Gesicht. Zwischen den Strähnen hindurch blinkten mich zwei traurige dunkle Augen an.
Fetzer war ein kräftiger, muskelbepackter Kerl, der viel Alkohol und viel Shit vertrug. Man musste sich vor seinen Launen in Acht nehmen, besonders wenn er getrunken hatte. Doch hatte er dich ins Herz geschlossen, ging er für dich durchs Feuer. Wenn Fetzer lachte, klang es wie das Wiehern eines Pferdes. Tiefe Stimme, raue Schale, weiches Herz und ein von Aknenarben zerfurchtes Gesicht, das war Fetzer.
Manchmal zauberte er eine kleine Mundharmonika hervor, eine Blues Harp, und setzte zu einem unnachahmlichen Singsang an.
Sein großes Vorbild war Captain Beefheart, jener kalifornische Musiker, der einen schrägen, fast avantgardistischen, auf jeden Fall verrückten Sound machte. Hin und wieder war Beefheart als Gast auf den Platten von Frank Zappa zu hören.
Wenn Fetzer gut drauf war, packte er die Harp aus. Wirklich spielen konnte er nicht, es war
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