Trips & Träume
plötzlich aus dem Matratzenzimmer.
»Inside Looking Out« von Grand Funk Railroad.
Aha, der Sound wurde härter.
Wie auf Kommando gingen unsere Gitarristen in Stellung, einer wie der andere ahmte die Haltung von Grand-Funk-Saitenquäler Mark Farner nach. Sie wirbelten ihre Mähnen wie Propeller durch die Luft.
Amüsiert beobachtete ich dieses Luftgitarrenposing der Extraklasse.
Erwin sprach mich plötzlich an. »Hey, das sind die geilsten Pillen, die du zurzeit kriegen kannst.« Er musste den Hunger nach ein bisschen Flippen in meinen Augen gesehen haben. Toni grinste wissend. Die beiden hatten immer eine Menge Chemie dabei. Eigentlich waren sie ganz in Ordnung, aber wenn sie so weitermachten, liefen sie Gefahr, als Kleindealer zu enden.
Tonis Tennisbälle hüpften aufgeregt hin und her, als er das Plastiktütchen aus seinem Umhängebeutel zückte. Nach und nach legte er alles auf den Tisch. Blaue, gelbe, grüne und weiße Pillen, Highmacher, von denen mir allein beim Ansehen schwindelig wurde. Die Dinger hatten schräge Namen. Sie hießen Purple Haze, Blue Cheer oder Yellow Sunshine.
Das Schärfste zauberte Toni zum Schluss hervor. Es war ein DIN-A4-Blatt, das er vor sich entfaltete. Er strich es sorgsam glatt, als handele es sich um ein wichtiges Schriftstück. So was hatte ich noch nie gesehen, kannte es nur vom Hörensagen. Das war LSD auf Löschpapier.
Ein Tropfen Lysergsäurediethylamid auf hellbraunes Papier geträufelt. Das brauchte man sich einfach nur auf der Zunge zergehen zu lassen. Der Stoff löste sich im Speichel auf, wurde im Magen absorbiert und gelangte so in die Blutbahn. Dreißig Minuten später hieß es abheben.
Genau das musste ich jetzt haben.
»Okay, einen Zehner, mehr hab ich im Moment nicht. Dafür krieg ich einen auf Löschpapier«, sagte ich.
»Du weißt, was gut tut. Weil du es bist«, sagte Toni. Er blickte zu Don, der die ganze Zeit schweigend zwischen den Jungs am Tisch gesessen hatte.
»Nee, lass mal. Ich darf mein Business nicht aus den Augen verlieren. Dazu brauch ich einen klaren Kopf«, winkte er ab.
»Das ist ein Silver Moon«, beharrte Toni, »schau’s dir genau an. Wenn du es ans Licht hältst, erkennst du das Muster.« Er reckte das Papier hoch in Richtung der Glühbirne, die, wie mir jetzt auffiel, nackt und einsam an der Decke baumelte. Er blinzelte ins Licht, als wäre das Papier ein Hunderter-Schein, den er auf Echtheit prüfen wollte.
Tatsächlich, ich konnte kleine silberne Halbmonde erkennen. Manche Blotter, wie man das mit LSD getränkte Papier auch nannte, hatten richtig abgefahrene Muster, meist psychedelische Bildchen oder auch mal eine nackte Frau. Oder den Kopf von Keith Richards. Dieser hier war in sechs mal vier Reihen aufgeteilt. Die Felder waren sogar perforiert.
Vierundzwanzig Trips auf einem Bogen.
Wahnsinn, ich hatte noch nie LSD probiert; jetzt wusste ich, ich wollte unbedingt auf den Trip gehen. Los, gib schon her, dachte ich.
»Das ist allerfeinstes Acid, Mann, das haben wir aus Amsterdam mitgebracht. Du wirst fliegen wie ein Adler über den Rocky Mountains. Wenn du verstehst, was ich meine«, tönte Erwin. Ich verstand gar nichts, es war mir auch egal, was er sagte. Los jetzt, abheben!
Er nahm den Blotter und trennte vorsichtig ein rechteckiges Stück aus dem Löschpapier heraus. Es war kaum größer als eine Briefmarke.
Ich steckte den Silver Moon in den Mund und legte den Zehner auf den Tisch. Der Schein verschwand sofort in Tonis Tasche.
Fetzer tippte mir auf die Schulter. »Hey, dein Artikel in Das Auge war super. Weiter so. Finde ich gut, dass du über das Musikfieber schreibst. Ist doch abgefahren, was hier abgeht, alle wollen plötzlich geilen Sound machen. Und wir sind dabei, du und ich und die Freaks hier, wir alle sind mittendrin.« Er lachte und hustete zugleich, wie ein Lungenkrebskranker.
Ich wollte etwas sagen, bekam aber keinen Ton heraus.
Meine Fresse, was war das? Ging es schon los? Wenn ja, dann war das wirklich bestes Acid, so rasch, wie es anschlug.
Ich spürte ein Kribbeln in den Fingern, ein Zucken und Ziehen in der Gesichtsmuskulatur, dazu ein Brennen im Bauch wie Feuer. Auf die Gefühle, die auf mich einstürmten, konnte ich mir keinen Reim machen. Es war verwirrend. Anders als Kiff.
»Gute Reise, Mann«, hörte ich Erwin wie durch ein Megaphon tröten.
Mit einem Mal ergriff mich eine Unruhe. Nervös drehte ich mich ruckartig um. Ich hatte die ganze Zeit am Tisch gestanden und wusste nun nicht so recht,
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