Trips & Träume
wenn ich ihn schon bis hierher begleitet hatte, konnte ich ihn auch an der Haustür abliefern.
Plötzlich schoss ein Wagen viel zu schnell in die leere Kreuzung. Das Auto steuerte direkt auf uns zu. Es war der mausgraue Käfer von Andi.
Im letzten Moment kam er vor Mark und mir zum Stehen.
Die Beifahrertür ging auf, und Karen schaute heraus. Hinterm Steuer saß Andi, der uns keines Blickes würdigte. Er starrte geradeaus.
»Habt ihr vergessen, heute steigt die Einweihungsparty im Müsli. Los, kommt schon, bevor wir das Beste verpassen«, rief Karen.
Sie stieg aus dem Wagen und klappte den Sitz zurück. Mark kletterte auf die Rückbank. Ich warf die Kreidler an und düste ihnen hinterher.
fünf Inside Looking Out
Das Erste, was mir auffiel, waren die Matratzen.
Auf dem Parkett zogen sie sich an den rot gestrichenen Wänden des Zimmers entlang wie ein auf dem Kopf stehendes U.
Statt einer Tür hing etwas im Rahmen, das aussah wie Girlanden. Es waren Schnüre aus Seide, die bis zum Boden reichten, mit kleinen bunten Steinchen und Perlen aus Plastik besetzt. Als ich sie mit der Hand berührte, erinnerte mich das Geräusch an das Klackern von Glasmurmeln.
In der Mitte vor dem Matratzen-U stand ein kniehoher rechteckiger Tisch. Na ja, eigentlich waren es leere Bierkästen mit einer Holzplatte obendrauf. Jemand hatte ein Spitzendeckchen darübergelegt.
Und dann die Kerzen. Auf Untertassen in jeder erdenklichen freien Ecke verteilt – es waren bestimmt an die zwanzig –, hüllten sie den Raum in ein fast mystisches Licht. Irgendwo mussten auch Räucherstäbchen glimmen. Der Geruch war unverkennbar. Die Wände waren mit Batiktüchern dekoriert. Die grellen psychedelischen Muster wirkten wie ein nicht ganz gelungener Versuch, Dalí auf LSD nachzumalen.
Am Eingang stand ein Plattenspieler. Daneben ein Teil so groß wie ein Koffer. Dieses Gerät war Mischpult und Verstärker in einem und hatte eine Power, dass die Dröhnung nicht nur im ganzen Haus, sondern in der halben Stadt zu hören sein musste. Die Lautsprecherboxen waren an die hinteren Wände des Zimmers montiert. Ich schmunzelte und überlegte kurz, ob die Balken der Dachwohnung nicht derart heftig vibrieren würden, dass die Ziegel tanzten und davonflögen.
Das also war das Müsli. Sonny und Moses hatten sich wirklich etwas einfallen lassen, um es den Freaks heimelig zu machen.
Auf den Matratzen war kein freier Platz mehr zu bekommen. Die gesamte Rats-Korona hatte sich dort versammelt. Sogar Kief war da, wahrscheinlich, um abzuchecken, ob sich das Müsli zur Konkurrenz entwickeln könnte. Joints machten die Runde. Was war das für ein psychedelischer Sound? You Doo Right von Can beschallte die Szenerie.
In der hinteren Ecke des Matratzen-Us tat sich was. Ein Typ mit einer gewaltigen blonden Lockenpracht schlug mit beiden Fäusten auf die Zimmerwand ein. Es war Matti, der Drummer von Zoon Politikon. Immer wieder rief er: »Mehr, mehr, mehr!« Der LSD-Trip, auf dem er anscheinend war, und der Sound hatten ihn scheinbar auf eine Reise in die Windungen seines Hirns geschickt. Alle quasselten durcheinander. Der Stimmenpegel übertönte teilweise gar die Musik. Die Gespräche, das konnte ich mir an den Fingern abzählen, drehten sich um das teure Dope, das derzeit kursierte, die fehlenden Mädels – denn die waren hier klar in der Minderheit –, das Musikfieber und das bevorstehende Festival.
Mark und Karen hatten es sich neben dem Mischpultkoffer bequem gemacht. Er schien ihr gerade etwas erklären zu wollen. Um das Gesagte, das ich nicht verstand, zu unterstreichen, gestikulierte er mit den Händen in der Luft. Karen nickte und schaute ihn mit großen Augen an. Wahrscheinlich hielt er ihr einen Vortrag darüber, wie er reich, berühmt und sexy werden wollte, dass er dafür nur einen richtig guten Song, also einen Hit, brauchte. Danach würde Karen sicher mit Christiania anfangen. Ich verspürte keine Lust, mich zu ihnen zu setzen. Ich kannte das alles zur Genüge. Außerdem wollte ich ihr erstes richtiges Näherkommen nicht stören.
Cannabis konnte komplizierte Gedankenabläufe in Gang setzen. Diese in Sprache umzusetzen, war ein schwieriges Unterfangen. Am besten, man redete erst mal drauflos. Die Gefahr bestand darin, dass man immer weiter vom Weg abkam. Ein Gespräch über das Wetter konnte in ein verschachteltes Philosophieren ausufern, bis am Ende niemand mehr wusste, wie man darauf gekommen war. Kluge Köpfe wie Ernst Bloch und Walter Benjamin
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