Trisomie so ich dir
Maschinengewehre Gottes wäre doch ein wirklich cooler Bandname, denkt Gott und will schon zum Waffenschrank gehen, doch dann fällt ihm auf, dass er eigentlich Pazifist ist.
Tja, so ist das eben …
Das ist dann wohl das, was man einen Lebensabend nennt, denkt sich Ingeborg und trinkt Tee. Unlängst hat sie die Vorhänge vor die Fenster gezogen. Als ob die Gefahr bestünde, dass jemand einen Blick auf die ausklingenden Leben hier in dieser Wohnung werfen wollen würde. Will bestimmt niemand. Es ist ein ziemlich einsamer Lebensabend, nur Hermann ist da, aber der ist ja auch nicht mehr so wirklich da, besteht er ja nur noch aus einer flach atmenden Hülle, die täglich gewaschen und gefüttert wird, und einem Haufen Erinnerungen, die Ingeborg gesammelt hat.
Jemandem, den man liebt, beim Sterben zuzugucken, ist vielleicht das Allerschlimmste. Der liegende Hermann sieht nicht mehr aus wie der Mann, den sie einst geheiratet hat und mit dem sie durch ein Leben voller Reibungslosigkeit geglitten ist. Seine Augen sind tief in die Höhlen gerutscht und unglaublich ausdruckslos. Auch vor dem Schlaganfall hatte Ingeborg manchmal den Eindruck, Hermanns Augen seien nur halblebendig. All diese gleich bleibenden Tage, wo jeder Tag wie eine Kopie des letzten wirkte. Die Vermeidung von Zufällen. Die Struktur eines Haushaltes. Darin fühlten sich Hermann und Ingeborg bestens aufgehoben. Die Bürgerlichkeit und die selbst gesetzten engen Moralgrenzen, innerhalb derer sie jeden Samstag um 15 Uhr 30 einen Kaffeetisch deckten und jeden Sonntag um 10 Uhr die Heilige Messe besuchten. Nicht zu viel und nicht zu wenig von allem, gerade so, dass man unauffällig genug war, um in diesem Mehrfamilienhaus nicht aufzufallen, und gerade so auffällig, dass die Nachbarn wussten, dass es Ingeborg und Hermann überhaupt gab. Es ist wichtig, dass die Leute wissen, dass es einen gibt, würde Ingeborg sagen, wenn man sie in einer Interviewshow nach dem Sinn des Lebens früge. Leider fragt sie niemand danach.
Die beiden haben sich auch nie getraut, aus diesem Leben auszubrechen. Dem selbstgewählten Kerker ihres eigenen kleinen Horizontes zu entkommen, kam ihnen nicht in den Sinn, denn es war ja alles da, ein Bett, eine Einbauküche, ein Fernseher, und das Risiko einer Veränderung des Lebens würde auch weitere Risiken beinhalten, das wussten beide gut genug. Da waren keine Kinder oder sonstige Hindernisse, die ihnen im Weg standen, aber sie ließen davon ab.
Das war ja nach dem Krieg so, als der Wohlstand wieder ins Land kroch, um sich ein feines, warmes Nest zu suchen. Und um die Leute nachhaltig zu lähmen. Es war die Zeit, in der wieder gute Butterbrote mit rohem Schinken gereicht wurden, Zeiten, in denen der übrig gebliebene und überlebende Deutsche sich irgendwo zwischen Schuld und Zukunft aufzuhalten hatte. Langsam füllten sich die Städte mit Leuten. Vielen fehlten ein Arm oder ein Bein oder eine Identität oder ein Leben. Es waren allesamt Zeugen einer Zeit, die sich tief in die Gemüter gebrannt hatte. Die Leute hatte alle Lust auf ein gelungenes Restleben, auf ein Leben, in dem nichts Schlimmes mehr passieren sollte.
Und täglich erinnerte man den Weg aus dem Bunker zurück über die Toten ins Leben. Auch Ingeborg hatte solche Erinnerungen, in denen urplötzlich eine Sirene aufheulte und der Himmel sich in der fiesesten aller dunklen Farben, begleitet von den schlimmsten hörbaren Geräuschen verfinsterte und alle nur noch in den Betonbunker zu rennen hatten, egal, wo man gerade stand und was man tat, wer leben wollte, musste sich zum Bunker bewegen. Ingeborg war zum Glück immer schnell genug. Aber wenn der Alarm vorbei war und die schwere Stahltür geöffnet wurde lagen da die, die es nicht mehr so schnell geschafft hatten, in Fetzen gebombt, verbrannt, tot oder sterbend, weinend, um Gnade winselnd, Körperteile oder Kinder suchend, ein Haufen Menschenmatsch, auf den der Himmel gefallen war. Und jedes Mal sah die Stadt wieder anders aus. Und Steine können doch brennen, dachte Ingeborg immer, und es roch nach was, nämlich nach verbranntem Fleisch.
Irgendwann war der Krieg vorbei, und vielleicht, so dachte Ingeborg damals, als sie als kindliches Jungding auf all das kaputte Zeug, was noch rumstand, starrte, vielleicht wäre jetzt die Möglichkeit da, diesem Land ein fröhliches Gesicht zu geben. Und sie half mit, Steine zu sammeln, die zum Aufbau eines fröhlicheren Deutschlands behilflich sein konnten. Es wurde gebaut, errichtet
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