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Trisomie so ich dir

Trisomie so ich dir

Titel: Trisomie so ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bernemann
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auch, dass alles irgendwie richtig ist, alles in den Topf passt, der Moral heißt. Dieser Roy-Typ, den findet Gott interessant, dass er ihn gern mit ein paar Aufgaben betrauen würde. Gott guckt auf Roy und muss zweimal hingucken, bis er erkennt, dass er den Menschen nach seinem Ebenbild gemacht hat. Trisomie 21, wie cool eigentlich, denkt Gott und imaginiert, wie es wäre, wenn alle Vertreter seiner Religion so was hätten. Der Papst, alle Bischöfe, Kardinäle, Messdiener, bis hin zum letzten Glockenpendelschwenker. Alle sollen so sein wie Roy.

Was egal ist, kann man auch weglassen
    Aufwachen, das sich wie dieses Aufwachen anfühlt, ist wie Zähne ziehen ohne Betäubung. Oder wie Fingernägel mit dem Seitenschneider entfernen. Oder wie heißes Frittierfett trinken. Jeder Gedanke ist einer zuviel und sprengt den Rahmen des Kopfes. Jede Bewegung ein theatralisches Drama. Jede Sekunde, die vergeht, vergeht langsamer als sonst und nur weil dadurch dem eigenen Verstand klar werden soll, dass man sich mit körperschädigenden Maßnahmen wie übermäßigem Alkoholgenuss nicht auf der Straße der Gewinner befindet. Solveig wacht auf und es fühlt sich an wie Sterben, sie fühlt sich wie ein Goldfisch, der über den Aquariumrand gesprungen ist, um auf der anderen Seite der Glasscheibe das Glück zu suchen, um doch nur Enttäuschung vorzufinden.
    Ihr fehlen einige Stunden, von denen Solveig nicht weiß, wie sie sie verbracht hat. Sie ist aber froh, in ihrer Wohnung zu sein und nicht auf irgendeinem Sofa mit einem traurigen jungen Mann gelandet zu sein, der mit irgendwelchen Ansprüchen an sie daher kommt. Solveig versucht, sich verzweifelt an die Stunden vor dem Einschlafen zu erinnern, an irgendwelche peinlichen Dinge. Als Basiserinnerung macht sich eine Stimmung in ihr breit, die eher mit Traurigkeit zu tun hat und einer leichten Grundaggression gegen alles und jeden und an den Versuch, die Erinnerung an Emil zu zersaufen. Da ist noch etwas Blasses in ihrem Kopf, und zwar eine Erinnerung an einen Moment, wo Stehen gar nicht mehr ging und der Kopf komplett off war und Gleichgewicht ein Fremdwort. Sie erinnert sich auch noch an ein Erbrechen, das unter Krämpfen hat stattfinden müssen. Aber ihr Geschmack im Mund ist seltsam frisch und verwundernd daran ist, dass Solveig eigentlich nicht zur Dentalhygiene neigt, wenn sie besoffen die Wohnung betritt.
    Woran sie sich nicht erinnern kann, ist, das Glas Wasser, das auf dem Beistelltisch steht, aufgefüllt zu haben. Ebenfalls erinnert sie sich nicht mehr, die Kopfschmerztabletten dazugelegt zu haben. Was auch fehlt, ist die Erinnerung daran, sich nackt ins Bett gelegt zu haben. Wo sind überhaupt ihre Klamotten? Sie blinzelt durch ihr Schlafzimmer, kann aber keine Textilien, die sie gestern trug, finden. Vielleicht hat Jenny ihr ja geholfen, die wird Solveig kurz vor oder hinter der Eingangstür gefunden, sie mit Zahnpasta behandelt und sie ins Bett begleitet haben.
    Vollgekotzte Bekleidung ist nicht in Sichtweite, aber sobald Solveig an oralen Auswurf denkt, kommt da eine Übelkeit angefahren, die sofortiges Erbrechen von ihr verlangt. Der Weg zum Klo ist weit, sie schält sich aus der Bettwäsche, und allein diese Bewegungen reichen schon aus, um den Verdauungsmorast aus ihrem Magen zu quetschen. Ihr Kopf fällt von der Bettkante, um dort schwallartig abzukotzen, und siehe da: ein Zehn-Liter-Eimer steht da, den Solveig an sich zieht und seinen Boden mit grünlich schimmernder Flüssigkeit bedeckt. Es fühlt sich an, als käme diese Flüssigkeit direkt aus ihrem Kopf gelaufen und sei verantwortlich für Gedanken aller Art, die nunmehr unmöglich sind. Nachdem nur noch Magensaft kam und der Bauch und der Kopf sich ein wenig beruhigt haben, zieht sie sich zurück ins Bett in Erwartung irgendeiner Verbesserung ihres Zustandes. Sie zieht die vier Aspirintabletten aus der Verpackung und sieht zu, wie sie sich im Wasserglas versprudeln und trinkt dieses Gemisch in einem Zug leer. Das Zimmer ist halb abgedunkelt, ebenfalls etwas, was Solveig nie selbst tun würde, doch das ist jetzt egal, irgendwer hat all diese Dinge getan, und höchstwahrscheinlich war es Jenny, ihre Mitbewohnerin, die diese vortrefflichen Vorkehrungen getroffen hatte. Solveig schläft wieder ein, ein schaler Geschmack von Kotze hält sich in ihrem Mund auf, den Roy dieses Mal nicht wegputzen kann.
    Der hat nämlich ihren Schlüssel gesehen, nachdem er in ihr gekommen war und sich schreckhaft aus ihr entfernt

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