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Trisomie so ich dir

Trisomie so ich dir

Titel: Trisomie so ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bernemann
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hatte, ihren Haustürschlüssel, der unter ihrer Handtasche lag, mit dem sie wohl schon versucht hatte, diese Tür zu öffnen und vor lauter Besoffenheit gescheitert war. Da Roy aber zwei Mädchennamen auf dem Klingelschild gesehen hatte, betätigte er die Schelle und versteckte sich hurtig im Treppenhaus. Das ganze machte er dreimal, bis er sich relativ sicher war, dass sich niemand in der Wohnung befindet. Er öffnete die Tür und zog die alkoholdelirische Solveig in die Wohnung. Dann traf er Vorkehrungen, die seines Wissens einem halbohnmächtigen, besoffenen Mädchen gut tun würden. Er entledigte sie ihrer mit Restkotze und Harnstoffen besudelten Kleidung, ging ins Bad und holte eine Zahnbürste, mit der er Solveigs Zähne von Kotzresten freimachte. Da waren zwei Zahnbürsten, und Roy entschied sich für die rosafarbene, die ihr seiner Empfindung nach besser zu Gebiss stand. Mit einem alten Handtuch, was er im Badezimmer fand, wischte Roy die erbrochene Masse vor der Wohnungstür auf. Es stank, aber Roy hatte eine Mission.
    Anschließend suchte er ihr Schlafzimmer, fand zwei davon in dieser Wohnung vor und entschied sich für das, in dem keine radikale Unordnung herrschte und keine Nuttenbekleidung lag, sondern in dem Bücher und CDs geordnet in den Wandregalen ihrer Benutzung harrten. Dahin trug er die Solveig, die übrigens schwerer als erwartet war, und zog ihr einen Schlafanzug an, den er unter dem Kopfkissen gefunden hatte. Im Bad fand er Müllbeutel, in die er Solveigs Bekleidung gab. Aspirin und Eimer fand er ebenfalls im Bad, und dann schulterte er den Kotzebekleidungsbeutel, küsste Solveig sanft auf die Stirn wie ein Arbeiter, der zur Arbeit geht, seine Frau, die zuhause Haushaltsdinge zu tun gedenkt, verabschiedet und verließ gut gelaunt die Wohnung.
    Es ist mittlerweile hell geworden, wie spät es genau ist, weiß Roy nicht, aber das war ihm auch egal. Worte, Zeit, der ganze einschränkende Mist, den braucht doch kein Mensch, außer jemand, der gerne eingesperrt ist. Er läuft durch die Stadt, ziellos, den Beutel mit Solveigs voll gekotzter Bekleidung auf der Schulter, und ihm ist danach, ein Lied zu pfeifen. Könnte er pfeifen, er würde es tun.
    Die Stadt ist schon hellwach, Roy etwas müde, schließlich ist er schon lange auf den Beinen. Hier war er zuvor noch nie. Unbekannte Häuserzeilen, Menschen, die Verrichtungen verrichten, die alle eine Wichtigkeit beherbergen, die überlebensnotwendig erscheint. Es rast eine Schnelligkeit um ihn herum, eine raketenartige Beschleunigung, aber das kann auch daher kommen, dass er selbst eine Ruhe in sich fühlt, die er so zuvor auch nicht kannte. Durch diese schnelle Stadt zu schleichen fühlt sich an, wie nicht dazugehören und das auch zu wissen, es aber trotzdem gut zu finden. Roys Gefühle sind ein matschiger Haufen. Man sieht, wenn man diesen Haufen genau betrachtet, Teile von Verwirrung, Stücke Glück und Dinge, die aussehen wie Schuld, die aber nicht an ihn herankommen. So lächelt Roy, und der Beutel auf seiner Schulter riecht mehr nach Solveig als nach Kotze, findet er. Die Sonne blendet ihn leicht von der Seite, und er ist zu müde, daran zu denken, jetzt seine Sonnenbrille aus der Jackentasche zu fummeln, die alte Sonne scheint ihm somit direkt ins Gehirn. Urbane Alltagsszene.
    Roy läuft eine ganze Weile debil grinsend durch die Straßen, bis plötzlich eine schneidende Männerstimme seinen Namen sagt, eine Männerstimme, die ihm fast wie ein Knüppel vorkommt, den man ihm in die Kniekehlen schlägt, denn die Stimme klang fast wie die seines Vaters. Als sich Roy aber zu der Stimme umdreht, steht da ein uniformierter Polizist und lächelt. Roy umklammert aus Angst den Kotzebekleidungsbeutel etwas fester, und der Polizist sagt noch einmal: »Roy?« Und Roy nickt, ganz langsam sackt ihm sein Kopf runter und wieder hoch, und er weiß, dass es jetzt Zeit ist, nach Hause zu gehen.
    Mitfahren im Polizeiwagen ist plötzlich so was wie ein Abenteuer. Roy findet das cool, hier so halbwach drin zu sitzen, und er findet auch die Polizisten cool, und würde einer jetzt nachfragen, ob er mal den Knopf drücken wolle, um die Sirene und das Blaulicht anzumachen, Roy hätte diesen Knopf sofort betätigt. Aber leider fragt keiner nach. Es herrscht eine freundliche Stimmung innerhalb des Polizeiwagens, es fallen zwar auch ermahnende Worte, dass man nicht weglaufen und seine Mutter nicht alleine lassen dürfe, aber im allgemeinen ist die Staatsgewalt sehr milde

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