Tristan
vorbei, die Hütten wurden weniger, und wie wenn sie dorthin durch die Lüfte getragen worden wären, fanden sie sich mit einem Mal auf einem staubigen Weg wieder, den rechts und links dürre Sträucher und niedrige Bäume begrenzten. Jetzt wäre es an der Zeit anzuhalten, dachte Tristan, aber Courvenal verschärfte wieder das Tempo, als würde er vor etwas fliehen.
Erst als die Sonne im Zenit stand, machten sie halt. Die Pferde bekamen Wasser, Courvenal verteilte Brot und Käse und sagte kein Wort. Tristan wollte ihn ansprechen, da wandte sich sein Lehrer von ihm ab und murmelte nur: »Ein andermal.« Als Tristan Thomas fragend anblickte, zuckte der Knecht mit den Schultern und machte eine Miene, als wäre er am liebsten von all dem weit entfernt.
Am späten Nachmittag schloss Tristan einmal zu Courvenal auf und wollte wissen, was ihr Ziel wäre und warum sie es so eilig hätten. Was denn genau geschehen sei.
Der Mönch gab nur zwei Worte zur Antwort: »Toledo« und »Ketzer«.
Diese Wortkargheit herrschte auch an den nächsten Tagen, bis sie die Stadt am Fluss des Tao erreichten. Der unerwartete Aufbruch von Barcelona, die Veränderung der Kleidung, der Brand des steinernen Hauses, die schmerzliche, kaum zu begreifende Vorstellung, all die Bücher seines Freundes Philippe seien vernichtet, all seine Ideen ein Opfer des Feuers, verfolgten Tristan bis in seine Träume. Tagsüber, unter der sengenden Sonne, verflüchtigten sich seine trüben Gedanken, dorrten regelrecht aus, und eine Art Teilnahmslosigkeit kam über ihn. Nella, die Hündin, war in diesen Tagen das einzige Wesen, das ihn immer noch anzuerkennen schien. Nachts legte sie sich an seine Seite, und seine Hand strich durch ihr Fell. Kaum aber stand Courvenal am nächsten Morgen auf, floh sie und zog sich zurück, um nicht dem unberechenbaren Missmut des Mönchs ausgesetzt zu sein.
Nicht anders erging es Tristan und Thomas. Sie befolgten ohne Murren alles, was Courvenal anordnete, und waren froh, als sie endlich wieder, je näher sie Toledo kamen, Menschen begegneten, von denen sie gegrüßt oder freundlich nach ihrer Herkunft gefragt wurden. Viele hatten Turbane auf ihrem Haupt und trugen vielfarbige Gewänder, die von den Schultern bis zum Boden reichten. Ihre Messer am Gürtel waren gekrümmt und blitzten wie das Weiß ihrer Zähne. Ihre Haut war dunkel und sah aus wie gegerbtes Leder.
Dann blieb Courvenal auf einem Hügel stehen und hob die Hand, wie er es auch sonst getan hatte, wenn sie von Weitem das Ziel ihrer Reise erblicken konnten. Tristan und Thomas schlossen auf. In der Ferne lag zwischen Hügeln im aufsteigenden Dunst des späten Nachmittags eine Stadt, die Tristan so schön erschien, dass er kaum die Augen von ihr lassen konnte.
»Das ist Toledo«, sagte Courvenal, als würde er zu sich selbst sprechen. Er wandte sich nun wieder im gewohnt vertraulichen Tonfall an Tristan und blickte zugleich wie ein Wahrsager in die Ferne. »Nun beginnt der letzte Teil deiner Ausbildung«, sagte er. »Jetzt lernst du den Umgang mit Schwert und Lanze. Du wirst den Dolch werfen und wissen, wo er tödlich zusticht, und erfahren, wo die Blutbahnen sind, die er zertrennen soll. Mit Pfeil und Bogen, mit der Armbrust wirst du schießen und den Stein aus deiner Hand schleudern, dass er einen Vogel im Flug treffen kann. Dein geschulter Verstand wird in der Geschicklichkeit deines Körpers einen Bruder finden, damit du dich wehren kannst, wenn du angegriffen wirst, und angreifst, wenn du dich wehren musst. Dort, in dieser Stadt« - Courvenal streckte den Arm aus - »wirst du die besten Waffenschmiede und Spengler unserer Welt kennenlernen und in den Arenen der Ritter täglich üben, all deine Kräfte und Sinne zu gebrauchen, Augen haben, die sehen können, was in deinem Rücken geschieht, und deine Ohren am Tag gebrauchen wie Fledermäuse die ihren in der Nacht. Alles ist vorbereitet. Beten und Gott dienen musst du nur noch, wenn es dir dein Herz gebietet, die Bücher studieren, wenn es dich unbedingt danach verlangt. Als Erstes aber wird dir das Haar geschnitten, damit sich deine Hände nicht darin verfangen, wenn du nach einem Schwert greifst, dessen Schaft dir auf den Rücken gebunden worden ist. Wie ein königlicher Reiter wirst du werden, reichlich essen, mit Jungfrauen Umgang haben, Fürsten begrüßen, Knechte befehligen und zur Laute singen, um andere mit deiner schönen Stimme zu beglücken. Lieben im Dienen, Glauben im Beten, Freiheit im Kämpfen,
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