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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Glück im Gesang - das ist deine Bestimmung.«
    Courvenals Stimme senkte sich, als würde er dem Echo seiner Worte lauschen. Auf Tristan schien er gar nicht zu achten. Doch dann wandte er sich ihm zu mit einem fast zornigen Blick und sagte, jedes verbum betonend: »Als Erstes aber musst du lernen, was man nur erfahren kann. Das sind die Schmerzen über den Tod. - Ich habe so lange geschwiegen, um dir nicht mitteilen zu müssen, dass Don Philippe nicht mehr lebt. Er ist verbrannt mit allem, was er besaß. Seine Schriften erschienen einigen hohen Herren zu gefährlich. Wer glaubt, Worte seien scharf wie Waffen, muss damit rechnen, das kalte Eisen eines Dolchs in seinem Herz zu spüren. Wer mit der lodernden Flamme seiner Vorstellungen spielt, kann schnell darin verbrennen. Dazu bedarf es nicht einmal eines Scheiterhaufens, Pergament und Papyrus tun es auch. - Es schmerzt mich, dass ich dir das mitteilen muss.« Er schwieg eine Weile, schaute in die Ebene und fuhr fort: »Ein Ritter, wie du einer werden wirst, muss das Töten lernen und beim Sterben zusehen, bei seinem eignen Tod sogar. Gott behüte dich davor.«
    Tristan starrte Courvenal an. Don Philippe sollte nicht mehr am Leben sein? Tränen traten in seine Augen, und er begann zu schluchzen. Courvenal beugte sich zu ihm hin, strich mit der Hand über seinen Kopf und murmelte: »Die Haare, die Haare müssen ab«, wandte sich zu Thomas um und befahl: »Reite voraus! Nach zwei Meilen kommst du zu einer Burg. Sie hat einen großen Torbogen. Dort fragst du nach Ritter Herman. Berichte ihm, dass Courvenal und sein Schüler bald eintreffen werden. Man wird wissen wollen, welche Zeit wir haben. Darauf antwortest du: Die neue Zeit. - Hast du das verstanden?«
    »Tempus morus«, wiederholte Thomas stockend.
    »Tempus novum!, du Dummkopf. - Sag diese Worte auf dem Ritt nach unten hundertmal vor dich hin. Denn wenn du nicht die richtige Antwort gibst, wirst du in Zukunft überhaupt keine Antwort mehr geben. Dir wird der Kopf abgeschlagen. Hast du auch das verstanden?«
    Thomas blieb im ersten Moment die Sprache weg. »Tempus novum«, sagte er, »ich habe verstanden. Und wann kommt Ihr nach? - Tempus novum.«
    »Wir sind da, noch bevor es dunkel wird. - Los jetzt, los!«, trieb er den Knecht an.
    »Tempus novum.« Thomas begann, diese beiden Worte wie eine Litanei aufzusagen, drückte die Hacken in die Flanken seines Pferdes, zog an der Leine des Packtiers, rief »Hua!« und »Tempus novum«, um bloß nicht diese beiden Wörter zu vergessen, pfiff nach dem Hund und ritt an Courvenal und Tristan vorbei den abschüssigen Pfad hinunter und der Hochebene entgegen.

Achtes Buch
     
    RÜCKKEHR NACH CANOEL
     
    Kapitel 147-159
     
    Ankunft in der Hermansburg ~ 147 ~ Um Vergebung bitten
     
    Courvenal hatte diesen in Constantia mit seinem Jugendfreund Herman von Bückingen abgesprochenen Aufenthalt auf dessen spanischen Landsitz nahe Toledo schon lange Zeit herbeigesehnt. Die Burganlage befand sich auf einer mäßigen Erhebung und war deswegen mit einer doppelten Mauer und einem dazwischenliegenden tiefen Graben umgeben. Nach den vielen Schlachten, die der spanische König mit seinen Verbündeten gegen die Moros geführt hatte, nach Siegen und Niederlagen und schließlich eingekehrtem Frieden, hatte sich Herman gleichwohl dazu entschlossen, die Burg wehrhaft zu befestigen und zu erweitern, um überraschende Überfälle umherziehender Horden oder hinterlistige Anschläge »dieser dunklen Gestalten«, wie er die Araber nannte, nie wieder fürchten zu müssen.
    Courvenal hatte den Kopf geschüttelt, als sein Freund von der »sicheren Bewehrung« seiner Grafschaft schwärmte. »Was soll denn schon geschehen?«, hatte er bei einem seiner Besuche auf Hermans Anwesen bei Constantia gefragt. »Soweit ich davon gehört habe, herrscht Frieden bis in den Süden der Halbinsel. Die Mauren mischen sich mit den Spaniern, und wenn man sie gut behandelt, zeigen sie uns ihr Können und ihre Geschicklichkeit im Umgang mit Waffen und der Kunst, herrliche Gärten anzulegen. Wozu eine doppelte Mauer um deine Burg?«
    »Wenn du es schaffst, mit deinem Zögling bis nach Toledo zu gelangen und bei mir, so lange du willst, als Gast zu leben, wirst du meine Vorkehrungen schnell nachvollziehen können. Und du wirst das Gefühl der Sicherheit genießen, an einem Ort zu wohnen, an dem dir nichts widerfahren kann. Dein Schüler kann sich frei bewegen, als wäre er bei sich zu Hause, er kann sich seinen Studien

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