Tristan
- Nun aber lasst uns anfangen. Ihr schlagt die Trommel: Tam-ta-ta-ta: Als ich Isolde sah, sie war die Schönste von allen: Ta-ta-ta-ta-ta-ta-tam: Sie war hold: Ta-ta-tam: Ihr Haar von Gold: Ta-ta-tam: Sie war die Schönste von allen: Ta-ta-ta-ta-ta-ta-tam!«
Elva machte sich weiter nützlich und folgte diesem schönen Zwiegespräch zwischen Tristan und Isolde, die erst unbeholfen, dann immer fester auf den Boden des Bottichs schlug. Und er, der Herr, sang mit einer anmutigen Stimme ihre Herrin an, fand immer neue Verse und Reime, ging darin mit ihr »in den Wald«, dort wurde »ihr kalt«, dort »wärmte er sie«, bis ein »Drache Feuer spie«.
Als er das gesungen hatte, mussten beide lachen.
»Auch hier unter Deck wird einem heiß, und Singen macht Durst«, sagte Isolde und wandte sich an Elva, die gerade den Raum verlassen wollte. »Gibt es nicht etwas zu trinken?«
»Da in dem Korb ist ein Fläschchen von Eurer Mutter«, sagte Elva und machte einen Knicks.
»Dann öffne es!« Isolde wurde übermütig. Über dem Singen hatte sie ganz die Zeit vergessen. Das Schiff musste bald wieder auf offener See sein, der Boden unter den Füßen schwankte, doch sie achtete nicht darauf. Es war so erheiternd, mit Tristan diese Unsinnsverse zu singen, die in strengen Reimen endeten, während in ihrem Leben alles durcheinanderging. Sie befand sich irgendwo an der Küste Britanniens, sollte mit einem Irgendwer-König vermählt werden und saß mit einem doppelnamigen Spielmann zusammen, der ein Ritter war, einen Augenblick zuvor noch in höchster Not ein Schiff aus einem Sturm heraus an die Küste gelenkt hatte und plötzlich wegen des Reims behauptete, nichts mehr als das Meer zu hassen - »nichts mehr - als das Meer«. Isolde jauchzte, als sie die Worte im Gesang trennte und wieder aneinanderfügte.
»Jetzt gib uns schon das Gebräu meiner Mutter«, sagte sie zu Elva, »was wird es schon sein: ein Wein aus roten Beeren, vermischt mit ein wenig Gift.« Lachend nahm sie der Magd das Fläschchen aus den Händen.
»Wartet, wartet«, rief Tristan beschwörend, »wartet ein wenig! Ich bin gleich zurück.«
Tristan lief davon wie ein Junge, der etwas Bedeutendes vergessen hat. Es dauerte eine Weile, bis er wiederkam. Isolde roch währenddessen am Hals des Behältnisses. Süße Düfte stiegen ihr in die Nase. Meine Mutter!, lächelte sie in Gedanken. »Was sie wohl in dieses liquidum hineingetan hat? Lavendel rieche ich, Kreuzblüte, Sauerampfer, Honig natürlich und etwa auch - Eibe?«, sprach sie zu sich selbst.
Da war Tristan schon wieder neben ihr. »Was redet Ihr von n’mhia?«, sagte er, denn das war das letzte Wort, das er verstanden hatte.
»Ich musste an meine Mutter denken, mehr nicht«, sagte Isolde leichthin und zeigte Tristan das Fläschchen. Er wiederum holte hinter seinem Rücken sein Glas aus Colonia hervor, das er all die vielen Jahre mit sich herumgetragen hatte. »Das ist das richtige Gefäß für dein n’mhia«, sagte er und hielt Isôt das Glas entgegen.
Isolde nahm es in ihre freie Hand. »Woher habt Ihr das?«, fragte sie voller Erstaunen. »Etwas Schöneres habe ich nie gesehen.«
»Ich ebenso wenig«, sagte Tristan leise. Sie sahen sich in die Augen, und es war ihnen, als sähen sie sich blind.
Tristan erschrak. »Schenkt ein!« Er hielt das Glück, das er empfand, fast nicht aus und forderte Isolde auf: »Trinkt Ihr zuerst, dann ich!«
So geschah es.
Sie tranken, sahen sich nochmals in die Augen und konnten voneinander nicht lassen, bis es der Magd Elva ungeheuerlich wurde und sie den engen Raum verließ. Als sie die Treppe hinaufstieg, hörte sie, wie die beiden begannen, nun ein Lied gemeinsam zu singen. Elva war noch nicht an Deck, da begegnete ihr Brangaene.
»Was ist da unten los?«, fragte sie.
»Sie singen«, sagte Elva.
»Haben sie schweren Wein getrunken?«
»Ich glaube nicht. Ich gab ihnen eben einen Saft, den wohl die Königin gebraut hat.«
»Aus der grünen Flasche?«
»Die haben sie verlangt.«
»Du hast sie ihnen angeboten?«
»Es war nichts anderes da.«
Brangaene sah Elva fassungslos an, dann schlug sie ihr ins Gesicht. Elva brach in Tränen aus, schnauzte etwas vor sich hin, denn sie war sich keiner Schuld bewusst, und drückte sich an Brangaene vorbei, um an Deck zu steigen. Bevor sie es erreichte, traf sie auf den Bootsführer, der gerade seine Mannschaft zum Ablegen zusammenrief und die Magd wieder nach unten schickte. »Hier kann ich dich nicht gebrauchen!«, bellte
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