Tristan
was sie zu sich genommen hatten am Abend zuvor, hatten viele von ihnen wieder erbrochen, ihre Kleider und auch der Schiffsboden waren beschmutzt. Der Bootsführer bemerkte, dass bald ein kleiner Hafen in Sicht kommen werde, in dem sie anlegen konnten. Einige Möwen näherten sich dem Boot und umflogen es, der sichere Hinweis darauf, dass die Küste nicht mehr weit entfernt war.
Tristan wollte sich unterdessen um Isolde kümmern, aber Brangaene versprach, dies selbst zu tun. Sie war in der Nacht aufgewacht und hatte bemerkt, wie Isolde sich auf ihr Lager legte, leise weinte und dann auch wieder in sich hineinlachte, wie sie sich oft umwendete und drehte unter den Fellen. Sie sah auch Tristans Blick, der sich nicht von der Erscheinung Isoldes lösen konnte.
»Wir kommen mit allem zurecht«, sagte sie abweisend und stellte sich zwischen ihn und Isolde, drängte Tristan aus dem schmalen Raum, nicht ohne ihm dafür zu danken, wie mutig er ins Ruder gegriffen hatte, um das Schiff zu steuern.
Tristan ging wieder an Deck. Es war schon Land zu sehen, auf das sie zuhielten. Nach Auskunft des Bootsführers waren sie weit vom Kurs abgekommen, hatten die anderen Schiffe aus der Sicht verloren und mussten damit rechnen, in ihrer Reise um zwei ganze Tage zurückgeworfen worden zu sein. Eine Landung war unumgänglich, die Befindlichkeit einiger Barone der Eruis war so miserabel, dass sie unbedingt einige Stunden an Land verbringen sollten. Das empfahl er auch den Frauen.
Isolde weigerte sich, das Boot zu verlassen, nachdem sie zwischen kahlen Felsen angelegt hatten. Dahinter standen ein paar Hütten, in denen Fischer mit ihren Familien hausten. Auf einem steinigen Strandstück wurde für die Barone ein Platz vorbereitet, wo sie lagern konnten. Es wurde Feuer gemacht, Hammelfleisch gebraten und Wein ausgeteilt. Auch Brangaene war froh, ihre Füße wieder auf festen Grund setzen zu können. Sie winkte Isolde vom Land aus zu.
Brangaene bemerkte Tristan, der am anderen Ende des Bootes saß und etwas in den Händen hielt, doch sie konnte nicht erkennen, was es war. Die Magd hatte eine leise Unruhe in sich verspürt, als sie sich über den Steg vom Boot entfernte und später der Kies am Strand beim Gehen unter ihren Füßen knirschte. Es war nicht gut, dachte sie, die Königintochter allein zu lassen. Da rief sie einer der Lords bei ihrem Namen, lud sie ein, mit ihm zu essen und zu trinken, und da sie schon seit Tagen nichts Richtiges mehr zu sich genommen hatte, folgte sie diesem Angebot gerne. Isolde sah aus der Ferne, wie sich Brangaene plötzlich umwandte, ängstigte sich in diesem Moment, freute sich aber zugleich über den Zwischenhalt an diesem Niemandsort, weil er einen kurzen Aufschub bedeutete vor der Begegnung mit dem fremden britannischen Fürsten, dessen Frau sie werden sollte. Schon die Vorstellung davon ließ sie schaudern.
In Gedanken versunken drehte sie sich um und sah Tantris, nein, Tristan. Wenn er ihr doch jetzt eines seiner Lieder vortragen könnte, aber nirgendwo hatte sie ein Instrument auf dem Boot gesehen. Sie ging zu ihm an das Heck des Bootes und bat ihn: »Kannst du mir nicht etwas singen? So könnten wir uns ein wenig die Zeit vertreiben.«
Tristan konnte seinen Herzschlag spüren, als er diese Bitte hörte. Er dachte voller Wehmut an seine Harfe, die noch immer irgendwo an den Gestaden Eruis in einem Schuppen versteckt war. »Ein Lied, ja«, sagte er verhalten, »das kann ich Euch wohl singen. Ich habe nur leider kein Instrument. Vielleicht könnt Ihr mein Instrument sein?«
»Wie das?« Isolde war erstaunt.
»Wartet!« Tristan blickte sich um, fand einen Bottich, klemmte ihn sich mit dem Boden nach oben zwischen die Beine und begann, einen Rhythmus darauf zu schlagen. »Das könnt Ihr doch!«, sagte er, trommelte weiter, so wie er es bei den Mauren gesehen und gehört hatte. »Versucht es!« Er reichte Isolde den Bottich. Als es zu regnen begann, gingen sie unter Deck in Isoldes Schiffsraum. Dort war gerade Elva, die die Königin ihrer Tochter zur Magd anbefohlen hatte, dabei, das Lager zu ordnen.
»Elva«, sagte Isolde, die Königintochter, »lass dich von uns nicht stören. Wir wollen, während die anderen an Land sind, etwas singen. Tantris, sag mir die Worte.«
»Ich bin Tristan«, sagte er.
»Oh, verzeiht!« Isolde wurde rot, und ihr war wieder bewusst, dass sie einem Ritter gegenübersaß.
»Solange Ihr lebt«, sagte daraufhin Tristan lachend, »könnt Ihr mich immer auch Tantris nennen.
Weitere Kostenlose Bücher