Tristan
Jahrmärkten taten, die über Seile tanzten. Doch die Einzige, die an kein Spiel, an keine Zauberei dachte, sondern von der unauflöslichen Verfallenheit der beiden aneinander wusste, war Brangaene. Die Zofe aber sah vorausblickend noch viel mehr. Einen weiteren ganzen Tag, hatte der Schiffsführer gesagt, würden sie brauchen, um die Küste von Cornwall zu erreichen.
»Wäre es dann nicht gut«, sagte Brangaene, »zuvor die Fahrt noch einmal zu unterbrechen und einen Platz anzulaufen, von dem aus ein Reiter nach Tintajol geschickt werden könnte, um dem König die genaue Zeit der Ankunft zu melden, damit er sich darauf vorbereiten könnte? Wenn dies gelänge«, setzte sie fort, »würden alle bewundern, was für ein kluger und umsichtiger Bootsführer du bist, und sicher gäbe es eine besondere Belohnung für dich.«
Der Mann kratzte sich am Bart. Darauf war er selbst bisher noch nicht gekommen. Brangaene war einen Schritt zurückgetreten, weil die Ausdünstung dieses Menschen ihr den Atem nahm. Ihr war nur seine Antwort wichtig: Ja, das sei möglich, die Reise würde sich dann aber noch mehr verzögern.
»Das würde keinem schaden!«, rief Brangaene aus. Die hinzugewonnene Zeit benötigte sie, um mit Isolde und Tristan die nächste Vorgehensweise zu bereden, notwendige Handlungen, an die die beiden in ihrem tumben Zustand nicht denken konnten.
Brangaene schloss die Augen und sah Elva noch einmal von Bord stürzen. Ihr stockte der Atem dabei, aber sie hatte keine andere Wahl gehabt. Es durfte keine Zeugen geben. Sie allein wäre die einzige, und sie dürfte nicht nur keine Zeugin sein, sie musste die Verbündete der beiden werden. Es gab nicht zwei, die einander in tragischer Liebe verfallen waren, sondern drei - für immer miteinander verbunden oder für immer voneinander getrennt.
»Da ist ein kleiner Ort«, rief in diesem Moment der Bootsführer, »dort können wir ankern und über Nacht bleiben. Er heißt Highsford. Es gibt, soweit ich weiß, auch einen Stall mit Pferden, einen Boten werden wir auftreiben, und eine Art Unterkunft mit strohbedeckten Betten müsste auch zu finden sein. Die Königintochter soll bestimmen, ob ihr das recht ist.«
»Das wird sie!« Brangaene war erleichtert. Schnell suchte sie Isolde und Tristan auf, die sich schon wieder in ihre Kammer zurückgezogen hatten, und unterrichtete sie von der neu eingetretenen Lage.
Die Taverne ~ 241 ~ Ferkelchen
Ein Bauernjunge war schnell gefunden und wurde als Bote mit Weisungen nach Tintajol geschickt. Inzwischen waren die Bettlager in der Taverne gerichtet und Essen gekocht. Niemand der einfachen Leute, die in Highsford lebten, hatte zuvor davon gehört, dass die künftige Königin von Cornwall sie besuchen wollte, dass es eine künftige Königin überhaupt gab, doch der Wirt der Taverne ahnte, dass er keinen Fehler begehen durfte. Er fragte gleich nach den Zahlungsmitteln und bekam ausreichend Münzen auf den Tisch vorgezählt. Das Häufchen der Silberpfennige überzeugte ihn vollends. Zählen hatte er nie gelernt, das Metall konnte er auch auf eine Waage legen. Daraufhin scheuchte er seine Leute, alles vorzubereiten: drei Lager, Waschzuber, Tücher zum Abtrocknen, das Stroh unter den Betten aufgeschüttelt und zwei Öllämpchen. Zum Essen konnte er ein Ferkelchen aus dem Rauchfang anbieten, das er im Kamin anbraten würde.
Brangaene war begeistert, als sie diese Nachrichten hörte. Isolde und Tristan erklärten sich ohnehin mit allem einverstanden. Sie gingen sittsam nebeneinander her, berührten sich zwar mit den Händen, doch das konnte niemandem von den Ansässigen aus der Siedlung, die nach der Landung des fremden Schiffs gleich herbeigeeilt waren, auffallen.
Als Brangaene den niedrigen Raum der Taverne betrat, sah sie Tristan und Isolde so nah beieinandersitzen, dass sie die beiden auseinanderdrängte und sich dazwischensetzte. Die Leute aus der Gegend schienen nicht darauf zu achten, sondern erfreuten sich an der offensichtlich friedlichen Anwesenheit der Fremden, die früher mit Brandfeilen gekommen waren und ihnen ihre Schweine und Schafe gestohlen hatten.
»Lasst uns essen und trinken!«, rief Brangaene dem Wirt zu. »Gib auch den Leuten von deinem Bier oder Wein oder was auch immer du in deinen Fässern hast. Aber sie sollen das Zeug draußen vor der Tür trinken.«
»Ich kann Früchtewein anbieten«, sagte daraufhin der Wirt, dessen Kopf von einem so buschigen Bart umrandet war, wie ihn Brangaene nie zuvor gesehen
Weitere Kostenlose Bücher