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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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trinken und zu essen geben, sag, es sei meine Anweisung, weine nicht mehr, komm anschließend wieder zu uns, denn ich habe eine Aufgabe für dich. Geh jetzt!«
    Elva schlich die Treppenleiter hinauf und hörte noch, wie Brangaene und Isolde weiter miteinander stritten, es fiel auch erneut ihr Name, dann war sie oben an Deck und schloss die Luke. Feuchte, linde Luft umwehte sie, es war windig, aber nicht mehr stürmisch, das Boot hatte abgelegt und Fahrt aufgenommen. Essen wollte sie nichts, wie Isolde ihr aufgetragen hatte, sie verspürte auch keinen Durst. Sie ängstigte sich und zitterte immer noch am ganzen Leib, verkroch sich an einen abgelegenen Platz und verbarg sich dort. Später hörte sie, wie jemand nach ihr rief. Es war die Stimme von Brangaene: »Elva? Bist du hier? Hat man dir schon etwas zu essen gegeben?«
    Elva hielt den Atem an. Es war Nacht und stockdunkel geworden. Das Schiff glitt durch die Wellen dahin, seine Bewegungen waren gleichmäßig, nur das Flattern des Segels war zu hören und ab und zu ein schlagender Ton, als würde ein großes Laken straff gezogen. Elva schloss die Augen. Sie war so müde, sie wollte schlafen.
    »Elva?« Brangaene stand mit einem Mal neben ihr und stieß sie mit dem Fuß an. Sie stemmte ihre Arme in die Hüften und befahl ihr aufzustehen. »Mach, dass du hochkommst!« Brangaene schrie. »Oder soll ich dich an den Haaren nach oben ziehen? Meinst du, dich auf einem Boot wie diesem verstecken zu können. Willst du kenhoub spielen?«
    Kenhoubs - das waren Geister, die in den Wäldern Eruis hausten. Die Alten erzählten davon. In der Nacht sollte man nicht in die Wälder gehen, weil die kenhoups dort wohnten und einen auffressen würden. Elva bekam einen Schrecken. Bevor sie von selbst aufstehen konnte, zerrte sie Brangaene schon aus ihrem Versteck hervor. Elva schrie auf, aber die Zofe schlug ihr gleich ins Gesicht, was den Schrei erstickte. Dann schleppte sie das Mädchen mit sich fort, sagte ihr, sie hätte ihre Pflichten als Magd Isôts vernachlässigt und müsse jetzt dafür büßen. Bei diesen Worten waren sie am Bootsrand angelangt. Brangaene gab Elva einen Stoß in den Rücken, die Magd stürzte über die Heckkante, fiel kopfüber ins Wasser, riss die Arme nach oben, tauchte unter und versank.
    Brangaene wandte sich um, ging zur Luke, unter der Isoldes Schiffsraum lag. Sie öffnete sie leise, hörte Stöhnen und Gelächter, schloss die Falltür wieder und lief dorthin zurück, wo Elva sich versteckt hatte. In einer windgeschützten Ecke kauerte sie sich zwischen Kisten zusammen und verbrachte dort den Rest der Nacht.
     
    Brangaenes Sorge ~240~ Zeitgewinnen
     
    Schon am frühen Vormittag des nächsten Tages waren sich die Schiffsleute an Bord einig, nicht länger auf dem Boot nach Elva zu suchen oder nach ihr auf dem Meer Ausschau zu halten. Elva war, so viel stand für den Kapitän fest, über Bord gegangen.
    Isolde sah Brangaene fest in die Augen und fragte sie, ob sie etwas damit zu tun habe. Die Zofe wich aus: »Du kannst sicher sein, dass ich immer schweigen werde, wenn es um dein Wohlergehen geht.«
    »Kannst du schwimmen?«, wollte Isolde daraufhin wissen.
    Ein eisiges Schweigen entstand zwischen den beiden. Was für eine törichte Frage, dachte Brangaene. »Ja, schwimmen kann ich«, antwortete sie trotzig. »Aber hier, mitten auf dem Meer, was könnte es helfen? Da ist es besser, ich kann es nicht.«
    Isolde war verstimmt. Sie trauerte um die Magd und vermied von da an jede Begegnung mit Brangaene. Das wiederum machte der Zofe Angst. Isolde brauchte nur einem der Knappen eine einzige Anweisung zu geben, dann würde sie in der nächsten Nacht Elvas Schicksal teilen. Aber Brangaene hielt noch ein Pfand in der Hinterhand, über das Isolde bis zu dieser Stunde wahrscheinlich kein einziges Mal einen Gedanken verloren hatte. Sie verbrachte die ganze Zeit mit Tristan, die beiden sahen nichts und niemanden mehr als sich selbst. Endlos hätte für sie die Reise auf dem Meer so weitergehen können. Es interessierte sie weder Essen noch Trinken, es durfte sich nur niemand in ihrer Nähe aufhalten, der sie beobachten könnte. Sie versteckten sich und gaben sich Zeichen. Wenn sie an Deck waren, sahen sie absichtlich aneinander vorbei, wenn sie sich doch anblicken wollten. Und wenn sie sich allein wähnten, war es, als wären zwischen ihren Augen Fäden gespannt, an denen sich ihre Blicke in ständigem Wechsel aufeinander zubewegten, wie es die Gaukler auf den

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