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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Brangaene war bei ihr, konnte ihr aber auch nicht helfen, und einen Medicus wollte sie nicht sehen. Ob Benedictus da sei, rief Isolde plötzlich und hielt sich den Unterleib. Brangaene beschwichtigte die Königintochter und flüsterte ihr zu: Jetzt gebe es keinen Benedictus mehr, aber es seien doch so viele andere Menschen an Bord des Schiffes, und alle wollten nur ihr Bestes.
    »Welche anderen?«, schrie Isolde auf.
    »Welche anderen?« Brangaene dehnte die Silben und versuchte dadurch, die Frage zu verharmlosen. »Was meinst du denn, wer du bist und wer du sein wirst? Isolde, sieh mich an! Trockne deine Tränen! Nur noch eine kurze Zeit, dann wirst du Königin von Cornwall. Weißt du, was das bedeutet? Du weißt es nicht! Und wer klopft dauernd an die Tür, wen muss ich abweisen, weil du ihn nicht sehen willst? Du kannst ihn nicht vergessen haben, Tristan oder Tantris, Tantris oder Tristan!«
     
    Annäherung ~237~ »Nochnie…«
     
    Tristan musste sich bücken, um in die enge Schiffskammer zu gelangen, in der Isolde ihre Unterkunft hatte. Er sah in Brangaenes Gesicht, das ihm so vertraut war wie das von Isolde, bemerkte aber auch die Zurückhaltung darin, als sei er nicht wirklich willkommen. »Noch zwei Tage werden wir auf dem Meer sein«, sagte er leise. »Geht es ihr nicht gut?«
    »Sie will niemanden sehen«, antwortete Brangaene, »nicht einmal einen Medicus.«
    Tristan zog sich zurück. Er schlief unter Deck bei den Spanten des Vorschiffs. Oft musste er an Courvenal denken, der auf der Christina mitsegelte. Die Situation war nicht viel anders als damals auf dem Kahn der Norweger, die sie entführt hatten. Weil ihn diese Erinnerung bedrückte, ging Tristan so oft wie möglich, vor allem in der Nacht, an Deck. Er legte sich dann lieber neben einem Haufen von Tauen nieder oder gar, wie auf diesem namenlosen Schiff, bei den Fangnetzen, die auf den Planken lagen.
    Es war die zweite Nacht, in der sie auf See waren, als plötzlich Isolde vor ihm stand. Sie hatte sich ein warmes Tuch über die Schultern geworfen und ihn mit ihren nackten Füßen gegen die Waden getreten. Tristan erschrak zuerst und brauste auf, wer es sich erlaube, ihn mit Tritten zu wecken. Doch als er Isolde sah, wurde aus seinem Ärger sofort die Freude über eine angenehme Überraschung.
    Es war das erste Mal nach der Verhandlung, dass er Isolde wiedersah. Aber es war nicht einfach nur ein Wiedersehen, sondern erneut eine Begegnung der Blicke wie damals nach dem Drachenkampf, als die Frauen ihn in der Lache liegend gefunden hatten. Dass es diese Wiederholung geben könnte, der dunkle Hintergrund der Nacht zurücktrat und ein Leuchten zwischen ihnen entstand, eine Sehnsucht nach Licht, das hätte er nie zu hoffen gewagt. Es war Wärme in dem Licht, und deswegen stand er rasch auf und breitete die Arme aus. »Isolde«, sagte er noch immer voller Verwunderung, »was sucht Ihr hier?«
    »Dich vermutlich«, antwortete sie keck, dachte nicht daran, dass sie nun einem Ritter Markes gegenüberstand, und setzte hinzu: »Tantris oder Tristan, ich weiß noch immer nicht, wer du nun eigentlich bist.«
    Tristan war verblüfft. Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte, sondern redete in seinem Glück drauflos: »Das Schönste ist für mich, dass wir uns endlich wiederbegegnen, ganz gleich, wer ich bin oder sein könnte. Kommt, setzen wir uns hier auf den Ankerkasten. Wenn Ihr wollt, erzähle ich Euch von mir.«
    »Die Wahrheit?« Isolde lachte leise. Es ging ihr sehr viel besser an diesem zweiten Tag. Die Übelkeit, die sie empfunden hatte, seitdem sie auf dem Schiff war, schien vorüber. Sie war von ihrem Lager in der Schiffskammer aufgestanden, hörte Brangaene ruhig atmend schlafen und war an Deck gestiegen, obwohl sie kaum etwas hatte sehen können. Alles um sie herum war schwarz, duobh in ihrer Sprache, ein Wort, das sie nicht mochte. Sie stolperte an Deck, und dieses Wort tuisligh, »stolpern«, das sie ebenso wenig mochte, verband sie mit dem Wort schwarz und dieses wiederum mit Nacht. So war sie vorwärtsgegangen in der Dunkelheit und dann über Tristan gestolpert. »Tuisligh«, sagte sie, und beide mussten lachen. »Die Wahrheit«, erinnerte sie sich an den Anfang des Gesprächs, nachdem sie sich gefangen hatte, »was ist denn die Wahrheit?«
    Da begann Tristan, ihr von seiner Herkunft zu erzählen, von Floräte und Rual, den wirklichen und falschen Eltern, von Blancheflur und Riwalin, den richtigen und unbekannten Eltern, von Courvenal, von

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