Tristan
geht das Gerücht herum, eure freundschaftliche Zuneigung gehe darüber hinaus. Diese Nachrede beschädigt meinen Ruf und meine Ehre. Ich werde einige Tage auf die Jagd gehen. Wenn ich wieder zurück bin, werden wir, dessen bin ich sicher, in einem gemeinsamen Gespräch Klarheit schaffen.«
»Auf die Jagd? Wolltest du nicht auf eine Wallfahrt nach Glestingabury?«
»Woher weißt du das?«
»Gerüchte«, sagte Tristan leichthin.
Marke sah seinen Neffen nicht an. Er hatte den Hieb verstanden. Keinem anderen als Isolde und dem Truchsess hatte er von dieser angeblichen Wallfahrt erzählt, und von Marjodô konnte Tristan nicht davon erfahren haben. »Mir ist übrigens zu Ohren gekommen«, sagte er daher ebenfalls wie nebenbei, »dass du dich seit Neuestem für die Kunst des Gartenbaus interessierst.«
»Wer hat diese Mär aufgebracht?«
»Du sollst des Öfteren im alten Mönchsgarten, du weißt schon, nah bei dem Trakt, in dem sich deine Kemenate befindet, in einem kleinen Nebenbau gesehen worden sein, in dem sich viele Gartengeräte befinden, hinten bei den Apfelbäumen.«
Tristan tat nachdenklich. »Ach, das meinst du«, sagte er. »Du hast recht. Ich habe da mal ein wenig herumgestöbert. Alle Knechte sind mit der Befestigung der Burg beschäftigt, und das, was wir an Erbaulichem besitzen, wird vernachlässigt. Da wollte ich nachschauen, ob es etwa daran liegt, dass wir keine Rechen oder Sensen besitzen …«
»Mitten im Winter?«
Tristan überhörte die Bemerkung und fuhr fort: »Ganz ähnlich verhält es sich auch mit der Kunst. Sie scheint ebenfalls brachzuliegen. Auf der Burg gab es schon lange keine gemeinsamen Spielabende mehr, meine Instrumente sind schon ganz verstimmt.«
»Warum justierst du sie nicht?«
»Für wen sollte ich das tun? Jetzt, da ich mich sogar von der Königin fernhalten soll? Wie der Garten Pflege, benötigt der Spielmann Gesellschaft. Er muss bisweilen für sich sein, um ein Lied zu finden, die rechte Melodie zu den richtigen Worten. Und was aber macht er, wenn er beides zusammenhat? Soll er alles nur noch sich selbst vorsingen? Einmal, zweimal - ja. Doch dann? Soll er singen und sich danach selbst feiern? Ist das die Kunst, die du an deinem Hofe wünschst, oder geht es dir nur noch um die Pläne der Architekten zur Befestigung deiner Burg, in die du dich einschließen willst, dich und deine frowe? - Also dann«, wandte er sich beinahe heiter zum Gehen, »gut Glück zur Jagd! Ich kümmere mich derweil um deinen Garten.«
Das war anmaßend und unverschämt gesprochen. Marke spürte die Bitterkeit in Tristans Worten, aber er fühlte sich zu kraftlos, um seinen Neffen zurückzurufen und ihn zu tadeln. Es hatte sich etwas zwischen sie gedrängt, das er nicht beeinflussen konnte. Nicht Eifersucht war es, es waren nicht Machtgefühle oder Habsucht, gekränkte Eitelkeit, wie Marjodô sie ausströmte. Es war ein Widerstreit der Bedürfnisse, der Auffassung von Leben und Zukunft. Marke spürte das, hätte jedoch diesen Gegensatz niemals in Worte fassen können.
Da klopfte es, kaum war Tristan gegangen, an seine Tür. Melôt trat ein, machte aberwitzige Verbeugungen, an denen sich Marke jetzt nicht belustigen wollte. »Verschwinde!«, sagte er heftig, ein Wort, mit dem man jeden Knecht in die Flucht trieb, der Zwerg hingegen ließ sich nicht abweisen.
»Du brauchst mich«, sagte Melôt, »denn ich werde auf deine Isolde aufpassen oder besser, mit einem Wort, das Marjodô mir in den Mund gelegt hat, ich werde sie beschatten.«
»Tu, was du willst, aber lass mich in Ruhe!«
»Tu alles, was nicht ich bin, denn das bist du.« Melôt lachte sein meckerndes Lachen, das nichts mit Freude, sondern nur mit Missgunst zu tun hatte. »Was machst du, wenn ich sie ertappe?«, fuhr er gleich darauf fort.
»Ertappe - wen?«
»Tristan und Isolde natürlich.«
»Was sollte ich machen?« Marke lehnte sich zurück.
»Wie bezahlst du mich? Hast du noch was von diesen Goldstücken? Zwei vielleicht? Die wären mir genug. Dann könnte ich in meine Heimat zurückkehren, müsste nicht mehr dieses alberne Britannisch reden und könnte in einem griechischen Palast zusammen mit tausend Ziegen leben.«
Marke konnte nicht anders als über diese Worte lachen. »Lass mir meinen Frieden«, sagte er schließlich.
»Wer will schon Krieg?!« Melôt verbeugte sich. »Ich liefere dir den Kopf Tristans! Und du bezahlst mich. Abgemacht. Hier ist die Urkunde samt Siegel.« Er streckte seine kleine linke Hand flach aus,
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