Tristan
spuckte drauf und schlug mit der rechten Faust dagegen. Dabei machte er mit dem Mund ein schmatzendes Geräusch, als würde er einen Siegelring in flüssige Petschaft drücken. Noch eine Verbeugung - und er war verschwunden.
An diesem Abend besuchte Marke Isolde nicht mehr. Er spürte, dass einiges hinter seinem Rücken geschah. Umso überraschter war er, als Isolde plötzlich neben seinem Lager stand. Ob ihm nicht wohl sei, fragte sie.
Er wisse es selbst nicht, antwortete Marke und wandte sich ab. Morgen gehe er auf die Jagd. Drei oder sieben Tage, vielleicht auch zehn - er habe Eardweard, den Jagdmeister, nicht richtig verstanden.
»Und was wird aus mir?«, fragte Isolde, die ein einfaches Hemd aus Jute trug.
Sie werde sich schon die Zeit zu vertreiben wissen, murmelte Marke. »Spiel doch ein bisschen Schach mit Brangaene. Singt ein paar Lieder zur Harfe.«
»Für wen - mit wem?«
»Wer gerade da ist.«
»Wer soll da sein? Du hast Tristan verboten, sich mir zu nähern.«
»Wer hat dir das gesagt?« Marke setzte sich in seinem Bett auf. »Marjodô.«
Er blickte seine Frau an, die mit aufgelösten Haaren neben ihm wie eine Erscheinung stand.
»Melôt habe ich gesagt…«, stotterte er.
»Du hast zu viel vom Wein getrunken.« Isoldes Stimme klang kalt und sachlich.
»Mag sein«, stöhnte Marke und ließ sich in sein Kissen zurückfallen. »Du rätst mir, während du fort bist, zu spielen?«, hörte er wie von fern Isoldes weiche Stimme.
»Ja, spiel nur«, murmelte er noch. »Spiel die Harfe oder etwas anderes.«
»Und was ist mit der Liebe?«
Diese Worte hörte Marke nicht mehr. Er hatte die Ohren verschlossen, er wollte nichts mehr hören. Jeden Tag der Lärm der Bauarbeiten, die Berichte über die Sachsen, die schon in Danmark eingefallen seien, die Listen der Reitertruppen, die aufgestellt wurden gegen einen möglichen Ansturm des Feindes. Täglich Boten, die von Londres kamen, Boten aus dem Frankenland, Berichte über die Befestigungen gegen Scotia und über Erui, dass Gurmûn dort sein Unwesen treibe wie bisher. Von der Küste hatten ihn zwei Nachrichten erreicht.
Ein Sänger namens Weinand wolle am Hofe zur Laute spielen und Vorträge halten über die veränderte Lage auf dem Festland, und ein Knecht namens Willem habe Zulass zur Königin verlangt, um ihr eine Nachricht ihrer Mutter zu überbringen. Im Gepäck dieses Mannes war eine Phiole entdeckt worden mit einer dunklen Flüssigkeit. Man habe sie vernichtet, hieß es. Der Mann sitze im Kerker, weil er möglicherweise Gift eingeschmuggelt habe.
Marke wollte von alldem nichts mehr wissen. Vor ihm tauchten die blassblauen Augen der Tochter von Graf Wessely auf. Hätte er die geheiratet, gäbe es jetzt all die Verwicklungen nicht. Diese Augen wie aus Glas … Marke schlief ein.
Tristan und Isolde trafen sich ein letztes Mal im Gartenhaus und beratschlagten, was werden solle.
»Er hat gesagt, ich soll spielen«, sagte Isolde leise. »Zu mir hat er dasselbe gesagt.« Tristan musste lachen. »Dann spielen wir.« Isolde umarmte Tristan.
»Aber auf welchem Instrument?« Tristan machte sich aus der Umarmung frei.
»Auf dem, das du am besten beherrschst.«
»Und das wäre?«
»Das Spiel selbst.«
Achtzehntes Buch
DAS SPIEL IM SPIEL
Kapitel 262-274
Geschrei ~262~ Flüstern
Marke ritt auf zur Jagd in seinen Wäldern, gleich am nächsten Morgen, obwohl noch gar nicht alle Pferde, Hunde und Jagdgehilfen zusammengestellt waren.
Eardweard war verzweifelt. Die halbe Nacht hatte er aufgrund des plötzlichen Befehls seines Herrn und Königs damit verbracht, genügend Jagdbegleiter zusammenzuführen. Jagdhunde hatte er zu begutachten, Waffen und Bögen ausgesucht, Pferde mit Zelten und trockenem Brennholz bepacken lassen. Außerdem musste er sich um gesalzenes Fleisch, Hirse, Hafer, Brot und Bier in kleinen Fässern kümmern - um seinem Kopf schwirrten Befehle herum, die er ausgegeben hatte, und vor seinen Augen versammelten sich im flackernden Schein der Feuer immer mehr Menschen und Tiere, als ginge es darum, ein Heer gegen einen plötzlich einbrechenden Feind aufzustellen.
»Er ist sonderbar geworden, unser König«, sagte Eardweard immer wieder vor sich hin. Helen war bei ihm, um zwei Pferde mit Decken, festem Schuhwerk, Spangen oder dicken Jacken zu beladen, die für Frauen wichtig waren. Denn der König hatte angeordnet, dass später Töchter und Cousinen der Barone zur Jagd dazustoßen sollten, wenn erst ein geeigneter
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