Tristan
hinwies, war der König äußerst erstaunt und wollte von Marjodô wissen, wie es zu diesem Ergebnis gekommen war.
»Aber Ihr wart doch selbst dabei!«, sagte Marjodô.
»Ich kann mich aber nicht mehr daran erinnern.« Marke fasste sich an die Stirn. »Die Kosten sind so gering bemessen, dass die Knechte ihre Arbeit fast noch selbst bezahlen müssen. Niemand kann davon seine Familie ernähren.«
»Vielleicht ist das so«, antwortete Marjodô mit einem Achselzucken, »dann müssen sie eben noch mehr arbeiten und damit ihre Ausgaben bestreiten.«
Marke war noch immer nicht überzeugt. »Wie konnte es dazu kommen?«
»Das haben wir alles dem Hündchen Eurer Königin zu verdanken, einem Geschenk Eures Neffen Tristan.«
»Das Hündchen? - Richtig, wie hieß es noch?«
»Petitcrue. Das ist Fränkisch und bedeutet nichts anderes als >kleine Kreatur<.«
»Natürlich! Petitcrue! Dieses wunderbare Fell. Ich habe den Hund schon lange nicht mehr gesehen. Wo ist er?«
»Königin Isolde hat ihn - leider - abgeschafft.«
»Was hat sie?«
»Kurz vor dem letzten Mondwechsel hat sie Brangaene befohlen, den Hund aus ihren Räumen zu entfernen. Zuvor schnitt sie ihm das Glöckchen vom Hals. Es habe sie in der Nacht im Schlaf gestört. Wie ich gehört habe, ist der Hund jetzt bei einer der Mägde, die bei den Ställen wohnen. Kaum entfernte man die kleine Glocke, soll er wie ein ganz normaler Hund ausgesehen und furchtbar laut und spitz gekläfft haben.« Marjodô lachte.
»Und wo ist Isolde jetzt?«, fragte Marke zerstreut.
»In Seaford, am Hafen.«
»Am Hafen? Was macht sie dort?«
»Sie wartet.«
»Worauf?«
»Auf wen?, muss es heißen, mein König. Sie wartet auf das Schiff, mit dem Tristan bald ankommen soll.«
»Er kommt mit dem Schiff? Herzog Gilans Ländereien liegen doch im Inland.«
»Vielleicht hatte er Sehnsucht nach dem Meer. Aus dem ist er ja auch aufgetaucht - vor vielen Jahren.«
»Und warum weiß Isolde davon, wenn ich nichts weiß?« Marke war ratlos, als wäre er nicht mehr König in seiner eigenen Festung.
Marjodô runzelte die Stirn, machte eine Verbeugung und zog sich zurück.
Marke wusste nicht mehr, woran er glauben und an wen er sich halten sollte. Da traf er in dieser einsamen Nacht eine Entscheidung gegen sich selbst und für sein Königreich. Er ließ einen seiner Berater holen und ordnete an, dass eine Versammlung einberufen werden sollte, sobald sein Neffe zusammen mit der Königin wieder am Hofe war. Man solle, sagte Marke, bevor er sich zurückzog, schon jetzt damit anfangen, den großen Versammlungssaal dafür herzurichten, und alle Barone des Landes darüber verständigen, dass sie sich bereitzuhalten hätten.
Im Kamin brannte nur noch ein einziger Scheit. Marke starrte in die feurige Glut. Es schien, als gäbe es um ihn herum kein Leben mehr. Einzelne kleine Flammen schossen noch aus dem Scheit hervor, aber sie besaßen keine Kraft. Er stand auf, nahm einen Haken und schlug auf die züngelnde Glut ein. Es war ihm, als wollte er das Feuer totprügeln - und entfachte es dadurch noch einmal. Geblendet von den durch seine Schläge aufzuckenden Flammen wich er zurück, setzte sich auf seinen Stuhl, legte die Hände vors Gesicht und rieb sich die Augen. Er blickte auf, das Feuer war zusammengesunken, und der König wusste in diesem Augenblick, dass er sich nicht länger selbst betrügen durfte.
Zwanzigstes Buch
DER VERBORGENE GARTEN DER LIEBE
Kapitel 288-300
Rückkehr ~288~ Brangaenes Warnung
Während Courvenal auf das Papyrus schrieb, sagte er jedes der Worte leise vor sich hin: Wenn Liebe sich verstecken will benutzt sie dazu einen Mantel an dem nicht jeder gleich erkennt wofür er dient und tauglich ist Wenn Liebende sogar verzichten sich ihre Wünsche zu erfüllen sind sie darin auch noch bestärkt sich mehr und mehr zu lieben Denn im Verzicht liegt starker Wille im Wollen aber weder Treu noch Ehre weshalb der Mantel falscher Tugend so fadenscheinig ist wie diese selbst Verführt vom Licht im Widerschein geblendet von der eignen Blindheit verweilen Liebende im Schutz der Lüge wie wenn der Mantel selbst sich trüge Courvenal blickte auf, legte die kurze Schreibfeder beiseite und überlas, was er notiert hatte. Dabei kamen ihm Zweifel, ob die Worte auszudrücken vermochten, wie groß seine Sorgen waren, seit er wusste, dass Tristan zurückkehren würde. Isolde war ihm mit ihrem ganzen Hofstaat entgegengeritten, und Marke hatte zur gleichen Zeit eine Zusammenkunft
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