Tristan
betrogen?«, fragte Tristan.
»Auch dein Vater gewann so manchen ritterlichen Kampf, weil er unritterliche Mittel anwandte. Er gewann die Herzen der Frauen durch … oh, diese Schmerzen. Ich bin …«, hauchte Kilian aus sich heraus, »nur ein einfacher Mann.«
Er verschied in Tristans Armen. Tristan versuchte zu weinen. Sein Herz klopfte, weil er etwas über seinen Vater erfahren hatte, wovon er nicht wusste, ob es der Wahrheit entsprach. Eine Weile noch blieb er neben Kilian sitzen. Dann raffte er sich auf. Allein ritt er zurück zu Gilans Burg. Dort war die Nachricht von Urgâns Tod längst eingetroffen. Gilan hatte auch sofort die wenigen Ritter, die er befehligte, ausgeschickt, um auf den Ländereien für Ruhe und Ordnung und die Einhaltung der Gesetze zu sorgen. Tristans Mut lobte er über alles, ließ bei einem eiligst veranstalteten Fest am Abend sogar einen Spielmann auftreten, der gleich Verse auf Tristans Heldentat gereimt hatte, und freute sich überschwänglich, endlich von diesem Beowulf Urgân befreit zu sein.
Tristan wollte in die Freudengesänge nicht einstimmen. Der Tod Kilians betrübte ihn. Von wem konnte er sonst noch etwas ehrlich Gemeintes über seinen Vater erfahren? Solange er in Cornwall gewesen war, hatte Marke nie ein einziges urteilendes Wort über Riwalin fallen lassen. Kilians spärliche Auskunft hingegen war wie ein Hinweis auf eine Vergangenheit, an der man zweifeln konnte.
»Was sitzt du so betrübt da?«, sprach ihn Gilan an. »Den Tod deines Knappen bedaure auch ich sehr. Er hat sich für seinen Herrn geopfert. So gehört es sich. Dafür sind die Knappen da. Die Mägde« - er wandte sich um und lachte fröhlich - »haben eine andere Aufgabe zu erfüllen. - Oder trauerst du gar um Urgân? Um einen hinterlistigen Feind weniger auf dieser Welt? Du kannst gar nicht ermessen, wie viel Sorgen und Pflichten du mir damit abgenommen hast, indem du den Koloss getötet hast. Es war ein gerechter Kampf. Er hat den Speer zuerst geworfen, dann du in reiner Selbstwehr, und letztlich starb der Riese, weil er das Gleichgewicht nicht halten konnte. Urgân ist tot! Es lebe Tristan!«
Gilan hatte sich in seine Rede hineingesteigert, schwelgte im Klang seiner Worte, während Tristan immer mehr in sich zusammensank, denn der Kampf, das konnte jeder wissen, war unritterlich gewesen. Der Tod ein Zufall!
»Warte, warte mein Freund«, sagte Gilan plötzlich, wandte sich um, rief eine Magd zu sich und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Die kostbaren Decken wurden auf den Tisch aufgelegt, das Hündchen daraufgesetzt, und Gilan selbst schlug an das Glöckchen, das um dessen Hals hing. Es entstand ein feiner Klang. Sofort geriet Tristan wieder in eine heitere Stimmung. Seine Gedanken wurden klar, er erinnerte sich an Isolde und auch daran, was Gilan ihm versprochen hatte.
»Ich nehme Petitcrue als Gegengeschenk«, sagte er plötzlich und geradeheraus, »undbitte dich, ihn noch morgen an die Königin von Cornwall zu senden.«
Gilan verließ sofort seine gute Laune. »Das kannst du mir nicht antun!«, beschwor er Tristan vor allen Leuten. »Ich schenke dir das gesamte Lehnsreich, das Urgân gehörte, ich gebe dir Gold - aber nimm mir nicht diesen Hund!«
Doch Tristan bestand auf seinem Wunsch.
Gilan wollte sein Wort nicht brechen. Was versprochen war, musste eingehalten werden. Er befahl, den Hund zu versorgen, und ließ die Boten zu sich kommen, die ihn nach Tintajol bringen sollten. Als er die Anordnungen dafür ausgab, traten ihm Tränen in die Augen. »Du nimmst mir«, sagte er leise zu Tristan gebeugt, »was du dir wünschst: Trauer ohne Traurigkeit, Freude ohne Sehnsucht, Hoffnung ohne Wehmut und Glück ohne …« - hier erstickte seine Stimme.
Tristan hörte gar nicht zu. Er sah Isolde vor seinen Augen. Wie sie den Hund im Empfang nähme und von diesem Augenblick an von allen Liebessorgen befreit sein würde. Sie brauchte sich nur Petitcrue auf ihren Tisch setzen zu lassen, wenn sie an ihre Liebe dachte, und schon wäre aller Schmerz von ihr genommen und vergessen. Petitcrue, das Schoßhündchen der erfüllten Wünsche, würde sie mit seinem Leichtgewicht von der Last ihrer immerwährenden Liebe befreien.
Dieser Gedanke bedeutete Tristan so viel, dass er Gilan umarmte und ihm versprach, noch so lange auf seiner Burg zu bleiben, bis alle rechtlichen Erfordernisse in Bezug auf Urgâns Untertanen, die jetzt wieder diejenigen von Gilan waren, geregelt seien.
Das Geschenk ~287~ Die
Weitere Kostenlose Bücher