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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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Cedric dem schreienden Säugling einfach den Kopf ab, mit einem Streich.
    »Es war gar nicht der Kopf der Frau, es war der des Säuglings«, sagte Kian unvermittelt zu Beitin.
    »Wovon redest du?«
    »Von dem Überfall auf die Britannier! Der Säugling hat wirklich plötzlich aufgehört zu schreien.«
    »Siehst du wieder Bilder?«
    »Ich kann sie sogar hören. Und wie es knisterte und prasselte, als die Hütten brannten!«
    »Hör auf damit!«, schnauzte ihn Beitin an. »Wir müssen uns beeilen, damit wir noch vor Abend von diesem verfluchten Festland wegkommen.«
     
    Einübung in Lügen ~102~ Im Zelt der Druiden
     
    Bei strömendem Regen waren sie mit der Kogge am frühen Morgen abgefahren. Tage später hielten sie auf die irische Küste zu, an einem späten Nachmittag. Die Sonne schien. Beitin war bester Laune. Er hatte Kian darauf eingeschworen, seinen Bericht immer nur durch Kopfnicken oder Bemerkungen wie »Genau so ist’s gewesen« zu bestätigen.
    Kian war dumm, und das machte ihn gefährlich. Manchmal begann er völlig unvermutet zu berichten, was er erlebt hatte. Geschehenes wiederholte sich gleichsam in ihm, und dann musste er es aussprechen. Er tat alles, was man ihm sagte, doch er sagte oft auch alles, was er getan hatte. Davor hatte Beitin Angst. Man sollte ihm die Zunge rausschneiden, dachte er. Es ging darum, ihren Auftraggebern zu erklären, dass Cedric im Kampf gefallen war. Der Mönch hatte sich gewehrt, hatte den Jungen verteidigen wollen und dabei Cedric mit seinem Dolch in den Hals gestochen, nein, nicht in den Hals: in den Bauch.
    »Gib mir Cedrics Wams!«, forderte Beitin von Kian.
    »Das gehört mir!«
    »Ja, es gehört dir. Aber wenn mich die Druiden befragen, brauche ich Cedrics Wams, um ihnen zu zeigen, wo der Mönch mit seinem Dolch hineingestochen hat.«
    »Hat er doch gar nicht!«
    »Gib mir das Wams und halt’s Maul! Später bekommst du es ja wieder.«
    Kian gab Beitin das Wams, und mit diesem Kleidungsstück in der einen und dem Papyrusheft in der anderen Hand trat er einen Tag nach ihrer Ankunft vor den Hohen Rat der Druiden, der sich in einem Zelt versammelt hatte.
    Es war ein seltsamer Anblick. Nur ein paar Fackeln erhellten den Raum, und die Druiden standen mit dem Rücken zu den beiden Reitern, die von einem gälischen Knappen hereingeführt worden waren. Niemand wandte sich nach ihnen um, als ihre Ankunft verkündet wurde. Die Druiden hatten Kapuzen über ihre Köpfe gestülpt, insgesamt waren es fünf Männer. Jeder von ihnen hielt einen Stab in der Hand, mit dem sie auf den Boden schlugen, während sie gemeinsam Verse zu murmeln schienen, die alle mit dem Wort mung endeten.
    Beitin und Kian standen stumm da, schauten sich an und ließen ihre Blicke über die Zeltwände und den Boden wandern. Kian suchte nach einer Truhe oder einem Korb, in dem die Münzen in kleinen Beuteln stecken könnten, so wie man es ihnen vor zwei Mondzeiten versprochen hatte. Er sah aber nur niedergedrücktes Gras, und der Rauch der Fackeln reizte so sehr seine Nase, dass er schließlich heftig niesen musste.
    »Hotscha!«, stieß er hervor, wie er es von seinem Bruder gelernt hatte, einem Schiffsmann, der vor viel mehr als einem Jahr von Egla in norje aus in See gestochen und bislang nicht zurückgekommen war. »Hotscha!«, noch einmal - Kian konnte es nicht unterdrücken, wischte sich mit dem Ärmel seines Mantels übers Gesicht und wandte sich an Beitin: »Was meinst du, wie lange wir hier noch auf unser Silber warten müssen?«
    In diesem Moment wandte sich einer der Druiden um. Er schlug die Kapuze zurück, und Beitin und Kian erkannten zu ihrer Überraschung, dass es eine Frau war, die auf sie zutrat.
    »Was habt ihr zu berichten?«, fragte sie. »Wo ist der dritte?«
    Beitin ergriff gleich das Wort. »Erstochen«, stieß er hervor, »von dem Mönch erstochen. Hier ist sein Wams, das Wams von Cedric. Wir haben ihn im Sumpf begraben. Dort ist überall Sumpf, fränkischer, normannischer, bretonischer Sumpf. Widerlich geradezu. Dort mussten wir Cedric zurücklassen. Thor wird sich seinen Geist geholt haben. Er ist sicher schon bei seiner Sippe. Und wir sind bei Euch.«
    Die Frau nahm das Wams, hob es gegen das Licht einer Fackel und warf es verächtlich gegen die nächste Zeltwand. Sofort machte Kian ein paar Schritte dorthin, hob es auf, kam zurück und sagte: »Wenn Ihr es nicht wollt, ich kann es gut gebrauchen. Die Stelle, wo er ihn mit dem Dolch aufgeschlitzt hat, kann man nähen. Wäre doch

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