Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
haben beide Entsetzliches erlebt und sind dem Grauen entkommen. Aber Sie sind noch nicht angekommen, Mac.«
Der brennende Tabak schmeckte bitter und fruchtig, eine angenehme Mischung, die seine Nase und seine Zunge berührte.
»Sie waren nicht an der Front?«
»Nicht in der Kampfzone. Ich begleitete meine Familie mit unserem Fronttheater.«
»Und Ihr Vater fiel bei Verdun.«
»Ja.«
»Weshalb Sie so schnell davonfahren, wie Sie können.«
Latour lächelte wieder.
»Eine geschickte Umkehr der Argumentation. Aber nein, ich habe in jenen Jahren Glück gehabt. Wir haben unseren Vater betrauert, aber wir haben zusammengehalten. Eine Familie, ein Heim und Freunde, Mac, sind eine große Hilfe.«
Die er verloren hatte, die er aufgeben musste, zu der er nicht wieder zurückkehren konnte. Damit hatte Latour recht. Er senkte den Kopf.
»Was werden Sie nach dieser Rallye unternehmen?«
»Wenn ich Glück habe, finde ich eine Anstellung bei Ford in Berlin.«
»Die wären imbezil, wenn die Sie nicht einstellen würden. Haben Sie Freunde in Berlin?«
»Nein. Ich werde sie hoffentlich finden.«
»Und wo waren Sie vor dem Krieg? Sicher nicht in den Highlands, trotz Ihres schönen schottischen Namens.«
War er denn so leicht zu durchschauen? Seit er wieder in Deutschland war, schien jeder, der sich ihm näherte, zu erkennen, dass er eine Maske trug.
»Sie sprechen ausgezeichnet französisch und deutsch, doch Ihrem Englisch fehlt das Knurrige. Verzeihen Sie, ich habe ein Ohr für Sprachen.«
Was sollte er leugnen? Es war ja offensichtlich. Also antwortete er wahrheitsgemäß: »Chauffeur in einem Hotel in Godesberg. Ja, ja, Sie haben recht, Latour, ich habe kein Heim und keine Familie. Meine Eltern starben an der Cholera, als ich eben fünf Jahre alt war. Ich wuchs im Waisenhaus auf.«
Latour blieb eine Weile still und sog an seinem Zigarillo. Die Kantine leerte sich allmählich, und Chester kam vorbei und stellte ihnen eine Flasche Bier auf den Tisch.
»Eine Runde Rommee, die Herren?«
»Später vielleicht«, sagte Mac. »Danke für das Bier.«
»See you!«
Mac zog ebenfalls an seinem Zigarillo und drückte ihn dann in der Blechschüssel aus.
»Unfein, ich weiß«, entschuldigte er sich.
»Es ist meine erste Rallye, Mac, und ich finde sie lehrreich. Ein Stück Leben im Zeitraffer sozusagen, mit Phasen voll Geduld, solchen, bei denen man gegen die Natur kämpfen muss, anderen, bei denen sich ein Mann gegen andere Männer zu behaupten hat oder seine Maschine beherrschen muss. Fehler gilt es zu vermeiden, die Orientierung nicht zu verlieren, Ausdauer zu beweisen. Sie machen das erstaunlich gut. Aber Sie scheinen sich über die Etappensiege nicht zu freuen.«
»Sollte ich das?«
»Meine beiden Schwestern sprudeln über vor Freude, wann immer wir ein neues Ziel erreicht haben. Ich gestehe, auch mich stimmt so ein Etappensieg heiter. Bedeutet dir der Gesamtsieg denn überhaupt etwas?«
»Eine Chance vielleicht. Ach, ist doch egal.«
»Mac, was ist dein Ziel?«
Der Lorbeerkranz nicht, die Stelle bei Ford wäre ein Anfang. Und, ja, ein fester Wohnsitz, ein paar Freunde, eine Frau, die ihm das Bett wärmte …
»Ein Mittelpunkt, Mac, nicht wahr? Eine Mitte, in der du ruhen kannst, von der du nicht mehr fliehen, dich nicht mehr verstecken musst.«
Wieder er selbst sein können, nicht mehr als Wilhelm Marten, der war tot, aber vielleicht als MacAlan in einer neuen Form. Dieser verdammte Franzose! Er hätte sich nie auf ein Gespräch mit ihm einlassen dürfen. Er brachte so unbequeme Wahrheiten ans Licht.
Mac stützte sein Gesicht wieder in die Hände.
»Gott, lass mich in Ruhe.«
»Gott lässt dich in Ruhe, ich nicht. Hey, Mac, hast du Lust, die Nacht mit mir zu verbringen?«
Wenn ihn das hätte schockieren sollen, dann musste er ihn enttäuschen.
»Danke für das Angebot, Gregoire, aber dieserart Trost hilft mir auch nicht weiter.«
»Na, war ein Versuch. Meine Freunde nennen mich Greg. Komm, wir lassen uns die Nachtluft um die Nase wehen und schauen, ob sich auch keiner an unseren Autos vergreift.«
»Gute Idee.«
Es war ruhig im Lager, allerdings vermeinte Mac ein paar kleine Gestalten heimlich zum Flugzeug huschen zu sehen. Autos und Flieger – für die Jungs vermutlich eine ungeheuerliche Verlockung. Sie machten die Wachen darauf aufmerksam, und einer der Männer scheuchte die Neugierigen zurück in ihre Zimmer.
Dann aber liefen sie Oberst von Braunlage in die Arme, und die kleine Posse mit dem
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