Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
steckten.
Wenn ich Annalisa schon darum bitten musste, Titus’ Hinterlassenschaft zu suchen und mir zu schicken, dann könnte sie eigentlich auch gleich nach Wills Unterlagen suchen und, falls sie fündig wurde, sie mir zusenden. Wer wusste schon, wofür das gut war? Wenn er sie nicht haben wollte, konnte er sie ja vernichten.
Der Page kam und rief mich zum Telefon auf der Etage. Ich schloss die Tür der Zelle hinter mir und begrüßte Annalisa.
»Emma-Louise, was hast du angestellt?«
»Anna-Lisalotte, nichts, wofür du dich schämen müsstest.«
»Bist du gesund? Geht es dir gut?«
»Gesund bin ich, aber ich habe ein paar Probleme. Ich brauche deine Hilfe, Annali.«
»Dann sag.«
»Mein Zimmer, hast du das inzwischen leergeräumt?«
»Nein, Emma. Wir dachten immer, dass du doch wieder zurückkommst.«
Mir fiel der erste Stein vom Herzen.
»Gut. Oben im Kleiderschrank, da wo die Wollsachen liegen, habe ich damals einen Umschlag geschoben. Den hat Titus mir anvertraut. Irgendwie habe ich den über die Zeit hin vergessen. Aber es sieht so aus, als ob der brisante Informationen enthält, die sehr, sehr wichtig geworden sind.«
»Geheimunterlagen?«
»Vermutlich. Kannst du einen Kurier zum Adlon in Berlin schicken? Er soll diese Papiere Alasdair MacAlan persönlich aushändigen.«
»Mac? Er lebt? Du hast ihn getroffen?«
»Ihn und Hans, Anna, aber das ist eine komplizierte Geschichte.«
»Wie geht es ihnen? Oder kannst du mir darüber nichts sagen?«
»Ich erzähle es dir, und ich versuche, sie zu überreden, in den nächsten Tagen mit mir zu euch zu kommen. Noch etwas: Will Marten – hast du seine Sachen fortgeworfen oder aufgehoben?«
»Die Kleider habe ich weggegeben, die Bücher und Unterlagen in eine Kiste geräumt.«
»Such die persönlichen Sachen bitte heraus – Geburtsurkunde, Führerschein, Schulzeugnis und solche Sachen.«
»Ja, aber …«
»Frag nicht, bitte.«
»Bist du in Gefahr, Emma?«
»Vielleicht.«
»Brauchst du Geld?«
Sie war eine wundervolle Schwester.
»Ja.«
»Alles an Mac schicken?«
»Bitte.«
»Emmalou, ich habe etwas Angst um dich. Am liebsten würde ich selbst kommen.«
»Anna, ich hab dich lieb. Und ich habe Freunde hier. Aber bitte sprich mit niemandem über diesen Anruf. Ich komme schon klar, und ich rufe dich wieder an, sobald ich die Unterlagen erhalten habe, einverstanden?«
»Wo erreiche ich dich? Bei den du Plessis’?«
»Nicht mehr. Ich denke, ich ziehe morgen in Berlin auch in ein Hotel. Mac weiß, wo ich zu finden bin.«
»Emmalou, pass auf dich auf.«
»Ich bemühe mich.«
»Emma, du bist die Letzte unserer Familie, die ich noch habe.«
»Ach, Anna.« Ich musste schniefen. »Anna, ich komme bald nach Hause. Versprochen.«
»Gut, Kleine. Bis bald.«
Ich hörte auch sie schnupfen und unterbrach die Leitung.
Es war wohl wirklich an der Zeit zurückzukehren.
Aber zunächst einmal ging ich wieder in mein Zimmer und klingelte nach dem Mädchen. Ich brauchte etwas zu essen, und auch ein Glas Wein würde nicht schaden. Was für ein Höllentag.
Mit Suppe und Wein kam auch ChouChou in mein Zimmer geschlüpft, worüber ich mich freute. Sie plapperte, während ich aß, über allerlei Begebenheiten auf der Strecke, und mit Entsetzen hörte ich von Doro Obelis Brandverletzungen. Diese Rallye war tatsächlich eine Veranstaltung, die von Skandalen, Unfällen und Mordversuchen nur so wimmelte. Triumphe hingegen waren bisher wenige zu verzeichnen.
»Ein Wachtmeister hat bei Mac vorgesprochen und wollte wissen, wo Hans ist. Aber das ist ihm offenbar gänzlich entfallen.«
»Was will denn ein Wachtmeister von Hans?«
»Weiß ich nicht. Hat er was geklaut?«
»Hans bestimmt nicht.«
Oder? Im »Beschaffen« war Hans schon immer gut gewesen. Andererseits hätte ihn hier jemand anzeigen müssen, und soweit ich es verstanden hatte, war der Ärmste seit gestern krank und stand unter Medikamenten.
»Schreibst du noch weiter über die Rallye, Emma, oder hast du keine Lust mehr?«
»Was immer ich schreibe, fürchte ich, wird nicht mehr gedruckt. Und ehrlich gesagt, heute bin ich auch viel zu müde dazu, noch über meine Impressionen am Himmel von Magdeburg zu schreiben.«
»Das war arg scheußlich, was?«
»Das kannst du wohl sagen.«
»Fliegen wirst du auch nicht mehr?«
»Zumindest nicht mehr mit der Rumpler. Ich weiß es nicht, ChouChou. Es sieht so aus, als ob ich zukünftig ein ganz anderes Leben führen werde.«
»Du bist ziemlich mutig, Emmalou.
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