Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Geste annehmen. Wenn ich es richtig verstanden habe, werden all deine Freunde hier untergebracht sein, und auch die Siegesfeier wird morgen Abend hier im Hotel stattfinden. An der ich übrigens auch teilnehmen werde, dienstlicherseits.«
»Nun, dann sollte das geregelt sein.«
Frau Heinemann führte die Teetasse zu den Lippen und trank einen Schluck.
Widerspruch schien sinnlos.
Also trank auch ich von meinem Tee.
Berte hingegen bat uns, sie zu entschuldigen.
»Ich sehe dich spätestens bei der Feier, Emma. Und auf jeden Fall berichte mir, wie dein Gespräch mit Koch verlaufen ist. Noch einen schönen Tag, Frau Heinemann.«
»Welcher Art sind diesmal die Nackenschläge, die man Ihnen versetzt hat, Emmalou?«, fragte Frau Heinemann, nachdem Berte gegangen war.
»Ich habe Ihnen in Köln doch von meinem Verlobten erzählt, dem Brief, den er seiner Schwester Geraldine geschickt hat.«
»Diese entsetzliche Geschichte. Haben Sie mit Geraldine darüber sprechen können?«
»Nein, Frau Heinemann. Denn ausgerechnet Oberst von Braunlage, der Teilnehmer der Rallye ist, hat Titus als Vaterlandsverräter hinrichten lassen. Geraldine hat am Tag nach unserem Aufenthalt in Köln versucht, den Oberst zu erschießen. MacAlan hat das verhindert, und sie ist anschließend von einer Staumauer gesprungen. Sie ist jetzt vermutlich gelähmt.«
»Großer Gott!«
»Jürgen du Plessis, ihr Vater, hat dafür gesorgt, dass ich meine Stelle beim Bunten Blatt verliere. Das hat mir Berte eben berichtet.«
»Haben Sie etwas gegen ihn in der Hand?«
»Nein. Und ich will auch von der ganzen Sippschaft nichts mehr wissen.«
»Verständlich.« Sinnend betrachtete Frau Heinemann ein paar Teeblätter in ihrer Tasse. »Den Oberst, Emmalou, haben Sie ihn kennengelernt?«
»Ich habe in Épernay ein kurzes Interview mit ihm geführt. Da wusste ich von seiner Rolle in dem Spiel noch nichts. Weder dass er Will und Hans kannte, noch dass er für Titus’ Tod verantwortlich war. Er hat mir von seinem Horch vorgeschwärmt und gesagt, dass man sich Ziele setzen und erreichen muss. Er hat einen sehr militärischen Tonfall an sich, aber irgendwie wirkt er trotz allem etwas … weichlich.«
»Haben Sie seine Frau Beatrix auch schon getroffen?«
Ich überlegte. Doch, ja, in Paris war eine Dame an seiner Seite gewesen.
»Im Bristol , bei der Feier vor dem Rallyestart habe ich sie gesehen. Sehr jung, sehr flapper. Flirtete heftig in seinem Beisein mit anderen Männern.«
Frau Heinemann nickte.
»Beatrix von Velten. Sie wird auch hier im Hotel sein. Ich bin gespannt darauf, sie kennenzulernen.«
»Darf ich fragen, warum?«
»Ja, das dürfen Sie. Haben Sie noch einen Augenblick Zeit?«
»Jetzt, da ich hier im Hotel übernachten werde, hat sich meine Lage entspannt, liebe Frau Heinemann.«
Sie lächelte.
»Gut, dann hören Sie meine Geschichte.«
Ich nickte und gönnte mir noch eines der kleinen Schichttörtchen mit einer Walnuss darauf. Frau Heinemann inspizierte die schon etwas geplünderte Etagere und nahm mit spitzen Fingern ein winziges Eclair.
»Mein Leben begann auf dem Gut derer von Velten. Meine Eltern waren Pächter der Veltens, und ich ging vor nunmehr fünfundfünfzig Jahren mit sechzehn als Zimmermädchen in den Dienst im Haupthaus. Es ist eine alte Geschichte, Emmalou, wie sie vielen jungen Mädchen passiert. Der Herr des Hauses hat mich vergewaltigt, ich wurde schwanger. Die Dame des Hauses hatte schon drei Fehlgeburten erlitten, und als sich herausstellte, dass ich einen Sohn zur Welt gebracht hatte, gab es eine finanzielle Regelung, die meine Eltern befürworteten. Man nahm mir mein Kind und kaufte mir eine Fahrkarte nach Amerika. Mit einem kleinen Betrag, in meine Kleider eingenäht, landete ich dort – und nach ein paar schmerzlichen Umwegen fand ich mein Glück bei Harry Heinemann. Er war ein Pionier, hatte ein Stück Land erworben, auf dem prächtige Bäume wuchsen. Der Holzhandel wurde sein Metier. Ich bekam zwei Söhne, die unser ganzer Stolz wurden: Arthur und Alfred. Doch vor zwei Jahren ist Harry gestorben. Friedlich, im hohen Alter von achtzig Jahren. Ich vermisse ihn, Emmalou, aber ich bin auch glücklich, dass wir eine lange Zeit zusammen leben konnten. Ich habe in jenen Jahren versucht zu vergessen, dass ich noch einen dritten Sohn habe, aber nun, da die Reise über den Atlantik weit schneller und komfortabler vonstatten geht als vor fünf Jahrzehnten, habe ich mich aufgemacht, meine alten Wurzeln zu suchen. Eine
Weitere Kostenlose Bücher