Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Schläge kannte. Die Minna war auch nicht verkehrt. Die war Charlies Schwester, ein bisschen buckelig und ziemlich wortkarg, aber kochen konnte sie. Und sie war auch nicht kniepig, wenn er mal Nachschlag haben wollte. Ja, er hatte es wirklich gut getroffen.
Das Kommissbrot war abgeschmiert, und er ließ die Rampe nach unten fahren. Die Weipert-Damen würden bald von ihrem Bummel zurückkommen, und dann bekam er vermutlich wieder ein nettes Trinkgeld. Lohnte sich, schon mal die öligen Hände zu schrubben.
Die Damen kamen dann auch kurze Zeit später, und Fritz erhielt nicht nur sein Geld, sondern Elisabeth drückte ihm auch eine Automobilzeitung in die Hand.
Und als Fritz sich später am Tag die Artikel zusammenbuchstabierte, stieß er ein Freudengeheul aus.
Die Rallye »Von Triumph zu Triumph« würde durch Magdeburg führen.
Und sie hatten eine neue Benzinzapfstelle!
8. DER AUFTRAG
Es gibt im Leben manches Mal Momente,
wo man dies und das und jenes machen könnte.
Georg Okonkowski
G eraldine legte sorgsam die schwarze Schellackplatte auf und drehte an der Kurbel. Als die Nadel die erste Rille berührte, begann sie mit den Schultern zu zucken.
»Hab ich mir von Reggi geliehen«, sagte sie. »Ganz heißer Song!«
Ich lag auf dem Sofa und beobachtete, wie Gerry zu »Yes Sir, that’s my Baby« ihren ganzen Körper in wilde Shimmies versetzte.
»Hey, steh auf und tanz mit!«
Mit Schwung wurde ich hochgezogen, und um ihr einen Gefallen zu tun, machte ich ein paar Tanzschritte mit ihr. Darin war ich nicht sonderlich geübt, denn eigentlich fand ich das Gewackel mit dem Busen, den Hüften und den Knien immer ein bisschen albern. Geraldine aber wedelte ekstatisch mit den Armen und hüpfte über den Teppich wie ein aufgedrehter Derwisch. Als die Musik zu Ende war, sank sie atemlos auf das Sofa. Ich setzte mich zu ihr.
»Komm am Freitag mit, Reggi und ich gehen zu Matzke . Da spielt eine neue Band.«
»Ich weiß nicht.«
»Doch, du weißt schon.«
Geraldine ging durch die Tür zu ihrem Schlafzimmer und wühlte in ihrem Kleiderschrank. Dann warf sie mir ein blassgrünes Kleid zu, das am Ausschnitt und an den Säumen breit mit schillernden Perlenfransen besetzt war.
»Müsste dir passen. Probier mal an.«
»Woher hast du das?«
Schulterzucken.
»Hab letzthin eine Modenschau fotografiert. Du weißt doch, manchmal bleibt da was übrig.«
Manchmal klaute Geraldine Kleidungsstücke. Aber ich machte ihr keine Vorwürfe. Es hätte doch nichts genützt.
Immerhin verlockte mich das Kleid. Ich hielt es mir vor dem Spiegel an, aber auch da wedelte Geraldine mahnend mit dem Finger.
»Zieh doch bloß diesen plumpen Pullover und den Rock aus.«
»Aber das Hemdhöschen und die Strümpfe darf ich anlassen?«
»Puritanerin!«
War ich nicht. Das Kleid schmiegte sich kühl an meinen Körper, und als ich vor dem Spiegel stand, konnte ich nicht umhin, die Perlenfransen tanzen zu lassen. Sehr verführerisch, das war es schon. Und für einen Tanzschuppen wie das Matzke völlig unpassend.
»Man müsste mal wieder auf einen Ball eingeladen werden«, sinnierte ich. Früher hatte ich an einigen gesellschaftlichen Ereignissen teilgenommen und durchaus einen schwungvollen Walzer zu schätzen gewusst. Walzer tanzte man nicht mehr. Zumindest nicht bei Matzke .
»Lass uns Lioba fragen. Sie kann uns bestimmt irgendwo eine Einladung verschaffen.«
Besser nicht, dachte ich. Lioba – Geraldines Mutter – hatte zahllose Bekannte, vor allem aus der Künstlerszene. Ob darunter welche waren, die einen richtigen Ball ausrichten würden, bezweifelte ich. Eher veranstalteten sie intime Orgien, bei denen hochtrabende Gespräche und freie Liebe, beides meist von Kokain und Alkohol begleitet, stattfanden.
»Ich weiß nicht, Gerry.« Ich streifte das grüne Kleid ab und schlüpfte wieder in Rock und Pullover.
»Meine Güte, was bist du wieder in einer tranigen Laune.«
»Ja, das bin ich.«
Geraldine zog eine Schnute und legte eine neue Platte auf das Grammofon.
Ich ärgerte mich über mich selbst. Die Musik war sicher mitreißend, aber ich hatte in den vergangenen Nächten wieder schlecht geschlafen und noch schlechter geträumt. Mir war nicht nach Vergnügungen.
Während Geraldine das Kleid kopfschüttelnd auf den Bügel hängte, klopfte das Hausmädchen an der Tür.
»Ein Telefonat für Sie, Fräulein Emmalou. Herr Doktor Koch wünscht Sie zu sprechen.«
Ich folgte der Frau und nahm mit einer kleinen Hoffnung das Gespräch an dem
Weitere Kostenlose Bücher